Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Sandsäcken schützen. Wer seine Vorräte im Keller gelagert und nicht rechtzeitig nach oben geschafft hatte, konnte alles den Schweinen zum Fraß vorwerfen. Auf den Feldern verfaulte das Wintergemüse.
Es dauerte nicht lange, und Armut verbreitete sich in der Stadt wie ein Geschwür. Zuerst traf es die Feldarbeiter und Tagelöhner, die schon seit dem Sommer kaum noch Gelegenheit hatten, ihr Brot zu verdienen. Dann folgten Hausierer, Fuhrleute, Kleinkrämer, entlassene Dienstboten und allein stehende Frauen. Das Heer der Bitterarmen, die um Brot und Suppe bettelten und die Tore der städtischen Almosenstiftung im Kaufhaus, der Pfarrhäuser und Klöster stürmten, wurde jede Woche größer. Die Stadt verstärkte das Kontingent ihrer Wächter, um die Bürger vor Diebstahl und Einbrüchen besser zu schützen. Die Gefängnisse waren überfüllt, und es verging kaum ein Tag, an dem nicht jemand an den Pranger gestellt oder zu noch schlimmeren Strafen verurteilt wurde.
Catharina war entsetzt über das Bild, das sich ihr in den verschlammten Gassen bot. Überall saßen in Lumpen gehüllte Gestalten im Dreck, oft Frauen mit einer Horde Kinder, und streckten ihr die flehenden Hände entgegen. Sie ging nur noch in Begleitung einkaufen, da einem selbst am helllichten Tag Gefahr drohte, überfallen und ausgeraubt zu werden.
Zunächst war im Hause Bantzer von diesem wirtschaftlichen Niedergang wenig zu spüren. Das Geschäft lief weiterhin nicht schlecht, im Gegenteil: Die wichtigsten Auftraggeber waren die Stadt und reiche Kaufleute, die aus den steigenden Preisen Gewinn zogen, indem sie zu spekulieren begannen und ihre vollen Lager jetzt erst recht mit schweren Schlössern und Eisentüren schützen mussten. Doch mit der zweiten Teuerungswelle im Winter merkte Catharina, wie ihr das Haushaltsgeld zwischen den Fingern zerrann. Also kaufte sie noch umsichtiger ein als früher und verbrachte Stunden damit, Preise zu vergleichen oder das günstigste Angebot für eine bestimmte Ware ausfindig zu machen. Im Februar kürzte Michael ihr das Haushaltsgeld. Die meisten der kleineren Kunden hätten Zahlungsschwierigkeiten, begründete er die Sparmaßnahmen und sah dabei so zerknirscht aus, dass Catharina das Gefühl hatte, ihn beruhigen zu müssen.
«Mach dir keine Sorgen, damit kommen wir aus.»
Nun kam eben nur noch an Samstagen und Sonntagen Fleisch auf den Tisch, stattdessen gab es häufiger Fisch und Eierspeisen. Ohnehin würde bald die Fastenzeit beginnen. Catharina war froh um ihre Hühner und ihren Lehmofen, denn frisches Brot war in manchen Wochen fast unerschwinglich geworden. Für sich selbst gab sie nichts mehr aus, ihre Wünsche sparte sie sich für bessere Zeiten auf.
So lebten sie jetzt zwar bescheidener, aber sie hatten nicht an Mangel zu leiden wie so manch andere Handwerkerfamilie. Michael arbeitete von früh bis spätabends. Oft war er außer Haus, um bei seinen Schuldnern das Geld einzufordern. Dabei nahm er meist Hartmann Siferlin mit, und Catharina konnte sich lebhaft vorstellen, wie dieser hagere Mann auf seine verschlagene und hinterhältige Art bei den Kunden die Forderungen eintrieb. Wenn Michael an solchen Tagen erst sehr spät nach Hause kam, aß sie mit Barbara und Elsbeth in der Küche zu Abend und genoss die Harmonie zwischen den beiden Frauen, denn Michael war jetzt oft gereizt und schlechter Laune. Catharina machte ihm daraus keinen Vorwurf, wusste sie doch, wie viel Arbeit und Ärger er täglich um die Ohren hatte. Trotzdem ging sie ihm dann am liebsten aus dem Weg und war froh, dass er inzwischen regelmäßig in der Nachbarkammer schlief.
Im Grunde lebten sie friedlich nebeneinanderher, ohne Zank und Streit, aber auch ohne Liebe. Es gab keine Zärtlichkeiten zwischen ihnen, und auch von der geplanten Reise war nie wieder die Rede. Doch Catharina gewöhnte sich an diese Art der Ehe, und in den seltenen Momenten, wo sie über ihre Lebensweise nachdachte, konnte sie sich eine andere Art von Zusammenleben kaum noch vorstellen. Hatte nicht auch Christoph an ihrer Hochzeit darüber geklagt, dass er mit Sofie nicht glücklich sei? Wahrscheinlich wäre es selbst zwischen ihnen irgendwann fad geworden. Barbara hatte einmal zu ihr gesagt, einen Mann brauche man sowieso nur, um versorgt zu sein.
Angesichts der Not, die überall in der Gegend herrschte, war Catharina dankbar für ihr vergleichsweise sorgenfreies Leben. Mechtild und Berthold hatten bis auf die Köchin und eine Putzhilfe alle Angestellten
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