Die Hexe von Freiburg (German Edition)
lief Benedikt über den Hof. Als er sie am Fenster stehen sah, winkte er ihr fröhlich zu. Da erstarrte sie. Der Alte stand dicht hinter ihr und drückte ihr einen Kuss auf den Nacken. Sie fuhr herum.
«Er vernachlässigt dich, nicht wahr? Dabei bist du so eine schöne Frau. Diese Brüste –»
Mit bebenden Händen strich er über ihre Brüste. Auf seiner hängenden Unterlippe sammelte sich Speichel.
O Gott, was sollte sie bloß tun? Ihr Verstand sagte ihr, dass dieser tattrige alte Mann ihr nichts anhaben konnte, aber die alte Angst stieg in ihr hoch und lähmte sie. Er drückte sie an sich. Entsetzt beobachtete sie, wie er mit einer Hand seine Hose öffnete. Angeekelt schloss sie die Augen. Ihr schwindelte. Sie sah die Bretterwände der alten Hütte in der Lehmgrube vor sich, draußen bellte wütend Moses. Jemand hämmerte gegen die Hütte – Lene! Lene, bitte hilf mir! Es klopfte wieder, und sie kam erst wieder zu sich, als Bantzer «Einen Moment» rief und hastig seine Hose zunestelte. Dann öffnete er die Tür. Benedikt stand draußen. Sie ließ sich in den Lehnstuhl sinken.
«Ihr Sohn bittet Sie, in die Ratskanzlei zu kommen, es gibt Unstimmigkeiten bei den Verhandlungen über den neuen Auftrag.»
«Danke, Benedikt. Kümmere dich bitte um Catharina, es geht ihr nicht gut.» Dann tätschelte er ihre Wange. «Du solltest nicht so viel arbeiten, mein Kind.»
Mit festen Schritten ging er hinaus.
«Soll ich Euch einen Becher Wasser holen?», fragte der Geselle.
Catharina nickte, und als Benedikt zurückkam, hatte sie sich wieder gefasst.
«Ist alles in Ordnung?», fragte er besorgt, mit einem Blick auf die halb volle Weinflasche.
«Ja, Benedikt, vielen Dank. Ihr könnt jetzt gehen.»
In der Tür drehte er sich noch einmal um.
«Wenn ich Euch irgendwie helfen kann – ich habe den Eindruck, dass ich gerade rechtzeitig gekommen bin.»
Dann ging er hinaus. Catharina starrte auf das Bücherregal. Eine Mischung aus Hass und Scham überflutete sie, und sie fragte sich, ob es nicht das Beste sei, ihre Sachen zu packen und dieses Haus zu verlassen. Was hatte Benedikt mitbekommen? Wie lange hatte er schon vor der Tür gestanden?
Sie machte sich in ihrem Zimmer ein wenig frisch und ging hinunter in die Werkstatt. Benedikt war allein im Lager, er schien sie erwartet zu haben. Mit seinen verschiedenfarbenen Augen sah er sie ernst an.
«Er hat sich Euch genähert, nicht wahr?»
Sie nickte: «Ich weiß nicht, was ich machen soll.»
«Es ist nicht das erste Mal, dass der Alte sich nicht beherrschen konnte. Barbaras Vorgängerin ist gegangen, weil er sie sich wieder und wieder gepackt hat – diesen geilen Bock sollte man an den Eiern aufhängen», fluchte er so leise, dass es Catharina eben noch verstehen konnte. Dann sah er sie fast flehentlich an: «Ihr müsst ihm klar machen, dass er nie wieder in Eure Nähe kommen darf, sonst …»
«Was sonst? Ich kann doch meinem Mann nicht davon erzählen. Sein eigener Vater!»
Benedikt überlegte.
«Wenn er Euch noch einmal anfassen will, sagt ihm, dass ich an der Tür gelauscht habe. Ich würde das auch vor Gericht bezeugen.»
«Dann verliert Ihr Eure Stellung.»
Er lächelte. «Wahrscheinlich. Aber das würde ich auf mich nehmen.»
Sie sah ihn forschend an. «Warum? Warum würdet Ihr das tun?»
«Um der Wahrheit willen. Und nicht nur deshalb.» Er zögerte. «Ich bin ein lediger Mann, ohne Familie. Ich kann jederzeit eine neue Stellung finden, wenn es sein muss, in einer anderen Stadt. Ihr aber seid fest eingebunden in dieses Haus, Ihr könnt nicht einfach davonlaufen. Der Alte muss wissen, dass er zu weit gegangen ist, und er soll Euch gefälligst in Ruhe lassen. Dafür würde ich meinen Kopf hinhalten, das verspreche ich Euch.»
Als sie den Lagerraum verließ, stieß sie beinahe mit Siferlin zusammen. Ärgerlich schob sie ihn zur Seite. Schnüffelte er etwa hinter ihr her?
Rechtzeitig zum Abendessen kamen die beiden Männer zurück. Michaels Vater tat, als sei nichts geschehen. Geiler, alter Bock, dachte Catharina mit Benedikts Worten. Als Michael kurz in der Küche verschwand, starrte sie den alten Bantzer verächtlich an, bis seine wässrigen Augen ihrem Blick auswichen und seine Hände zu zittern begannen. Da nahm sie sein Weinglas und schmetterte es zu Boden. Wie Blut breitete sich der Rotwein zwischen den Scherben aus.
«Nie wieder», zischte sie. «Habt Ihr verstanden?» Und als Michael eintrat: «Ich glaube, deinem Vater geht es nicht gut. Er
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