Die Hexe von Freiburg (German Edition)
in Begleitung von Christoph oder Marthe in das Bantzer’sche Haus, oder Catharina machte sich auf nach Lehen.
Das Verhältnis zwischen ihr und Sofie war durch die gemeinsame Kur sehr herzlich geworden, erreichte aber nie die Innigkeit, die zwischen Lene und ihr bestanden hatte. Durch ihre offene, temperamentvolle Art hatte es Lene immer wieder geschafft, ihre ruhigere Freundin aus der Reserve zu locken. Wie albern, ausgelassen und voller verrückter Einfälle sie beide oft gewesen waren. Christoph hatte ebenfalls etwas von dieser lebenslustigen Art, die auf Catharina ansteckend wirkte.
Mit ihrer neuen Freundin verband sie etwas anderes: Sie konnten stundenlang ernsthafte Gespräche führen. Dabei kam ihr Sofie viel reifer und erwachsener vor als sie selbst. Sofie war ein sehr verstandesbezogener Mensch und vermied es, Dinge wie Gefühle auch nur anzusprechen. Seltsamerweise übertrug sich diese Scheu auf Catharina, und irgendwann fragte sie sich, was an ihrem Wesen eigentlich sie selbst war und was das Spiegelbild der Menschen, die sie umgaben: Bei Tante Marthe war sie das ewige Kind, in den Gesprächen mit Sofie die kluge, nachdenkliche Freundin, bei den wenigen Begegnungen mit Benedikt, dem Gesellen, regte sich die sinnliche Frau in ihr, im Hause Bantzer war sie die umsichtige, etwas kühle Gattin, und Siferlin rief zornige und patzige Züge in ihr hervor. Lediglich mit Christoph fühlte sie sich als Ganzes, und die schmerzliche Überzeugung nahm von ihr Besitz, dass sie an seiner Seite eine ganz andere Frau geworden wäre.
Sie beobachtete, wie hingebungsvoll er sich um seine schwache Frau und seine Familie kümmerte, und liebte ihn mehr denn je. Christoph machte es ihr nicht gerade leicht, denn obwohl er nie wieder auf sein Liebesbekenntnis damals am Peterstor zu sprechen kam, suchte er ihre Nähe und ihren Blick. In solchen Momenten hatte sie Sofies Bemerkung im Ohr, dass sie es nicht ertragen würde, wenn Christoph eine andere Frau liebte. Catharina beschloss, diesem Schwebezustand der Gefühle ein für alle Mal ein Ende zu setzen.
Als Christoph sie wieder einmal in seinem alten Pferdekarren in die Stadt zurückbrachte, sah Catharina die Gelegenheit gekommen. Sie saßen nebeneinander auf dem engen Kutschbock, ihre Leiber berührten sich bei jedem Rütteln. In Catharina flammte die fast schmerzhafte Begierde auf, diesen Mann zu umarmen und nie wieder loszulassen. Sie spürte, wie ihr Körper brannte. In Gedanken zählte sie bis zehn und sprang dann von dem rumpelnden Karren.
Christoph hielt das Pferd an.
«Was ist los, Cathi? Ist dir nicht gut?»
«Wir müssen miteinander reden.» Sie setze sich auf einen Stein am Wegrand. «Ich kann so nicht weitermachen.»
Stirnrunzelnd sah er sie an und stieg vom Wagen. Plötzlich sank er vor ihr auf die Knie.
«Ich weiß, was du sagen willst», murmelte er und bettete seinen Kopf in ihren Schoß.
Wie gern hätte Catharina ihren Gefühlen nachgegeben, aber sie musste jetzt stark sein. Sie musste die Kraft finden, Abstand zwischen sich und ihm zu schaffen.
«Wir werden nie zusammenkommen können, Christoph. Sofie liebt dich, und sie braucht dich sehr. Sie ist krank, und ich habe kein Recht, nur weil ich dich auch liebe, ihr alles zu nehmen, was sie hat.»
Christoph sah auf. «Ich komme nicht dagegen an, Catharina, ich kann nicht aufhören, von dir zu träumen. Die seltenen Male, wenn Sofie und ich im Bett beieinander liegen, denke ich immer an dich. Das ist die einzige Möglichkeit, die mir bleibt, mit dir vereint zu sein. Ist das ein Frevel?»
Catharina fand darauf keine Antwort. Vorsichtig schob sie Christoph von sich und stand auf.
«Und du, Catharina? Wenn du bei deinem Mann liegst – kannst du dann mit ihm schlafen, ohne an mich zu denken?»
«Wir schlafen nicht miteinander.»
«Was?» Ungläubig sah er sie an.
«Schon seit einem Jahr nicht mehr. Er will nicht.»
«Das kann nicht wahr sein. Ich – ich vergehe vor Sehnsucht nach dir, während dieser Mann dich links liegen lässt.» Er fasste sie hart bei den Schultern. «Lass uns zusammen weggehen, in eine andere Stadt, wo uns niemand kennt.»
«Du bist verrückt geworden. Willst du dich dein ganzes Leben lang verstecken? Wir wären ehrlos, alle beide, du weißt doch, was das heißt. Und deine Kinder? Und Sofie?» Sie stockte. Nein, sie hatte Sofie versprochen, ihm nichts von ihren Todesgedanken zu erzählen. Flehend sah sie ihn an. «Nein, Christoph, ich glaube, du hast nicht verstanden, worum es
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