Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Wasser, die Männer mit kurzen Badehosen, die Frauen in losen Hemden. Catharina deutete auf ein Schild mit dem Hinweis, dass Nacktbaden im Hauptbad verboten sei.
«Das sollten sie in Freiburg im Schwabsbad auch endlich durchsetzen», sagte sie. «Dort wird ja mehr kopuliert als gebadet.»
Sofie lächelte schüchtern. «Ich war noch nie in einem öffentlichen Bad.»
Sie gingen über eine kleine, hübsch angelegte Promenade hinüber zu den Badehäusern. Die Holzbottiche befanden sich in voneinander abgetrennten Zellen, sodass man ungestört für sich allein baden konnte. Sofie hatte, zu einem geringen Aufpreis, eine eigene Zelle gemietet, die für die Zeit ihres Aufenthalts von niemand anderem benutzt wurde. Die Zellen gingen auf eine weitläufige Holzveranda hinaus, auf der Ruhebänke und kleine Tische aufgestellt waren. Ein Spaßvogel hatte mit großen Buchstaben auf eine Bank geschrieben: «Für unfruchtbare Frauen ist das Bad das Beste – was das Bad nicht tut, das tun die Gäste.»
«Mir gefällt’s hier», sagte Catharina und legte den Arm um Sofie, die seit der Abreise von Wilhelm und Carl ein wenig verloren wirkte. «Ich glaube, wir werden zwei schöne Wochen haben. Auch wenn ich auf die Gäste hier wenig Wert lege.»
Gerade als sie noch ein Stück bachaufwärts wandern wollten, begannen dicke Tropfen zu fallen. Eilig rannten sie zurück ins Gasthaus. Als sie ankamen, waren sie nass bis auf die Haut.
«Das fängt ja gut an.» Sofie rieb sich mit einem Tuch trocken. Verstohlen musterte Catharina ihren mageren Körper: Unterhalb der winzigen Brüste waren die Rippen zu sehen, und die Hüftknochen ragten wie Schaufeln hervor. Nachdem sie umgezogen waren, überlegten sie, was sie bei diesem Regen anfangen könnten, und beschlossen, zum Würfelspielen in den Speisesaal zu gehen.
Die Tage vergingen rasch. Außer zum Purgieren begleitete Catharina Sofie zu allen Behandlungen und Bädern, sie gingen viel spazieren oder lagen faul in der Sonne. An den wenigen Regentagen saßen sie im Speisesaal und spielten oder beobachteten die anderen Gäste. Sie stellten bald fest, dass die wenigen Frauen, die ohne männliche Begleitung hier waren, nach kürzester Zeit einen Liebhaber hatten. Oder auch zwei, und nicht selten kam es dann zu hässlichen Streitereien. Oft lästerten sie noch abends im Bett über die Szenen, bei denen die Männer wie aufgeblasene Puter aneinander gerieten und die Frauen empört ihre vermeintliche Tugend herausstellten. Sie verspürten beide keine Lust, sich in diesen Reigen der Geschlechter einzureihen, und hatten daher bald den Spitznamen «eiserne Jungfrauen». Andere böse Zungen behaupteten, sie seien ein Liebespaar.
Längst hatte die zurückhaltende Sofie Vertrauen zu Catharina gefasst und ihr einiges aus ihrer Kindheit und ihrem Alltag erzählt.
«Schon als kleines Mädchen war ich schwächer als andere und musste oft das Bett hüten. Manchmal macht es mich fast verrückt, dass ich nicht weiß, was mit mir los ist, vor allem nachts, wenn wieder diese Schmerzen und Schwindelanfälle kommen und ich nicht schlafen kann. Dann halte ich mir immer vor Augen, was für ein Glück ich trotz allem habe: Ich habe eine große, liebevolle Familie. Und für dieses Glück nehme ich auch in Kauf, dass ich nicht mehr allzu lange leben werde.»
Catharina sah sie erschrocken an. «Wieso solltest du nicht mehr lange leben?»
Sofie zuckte die Schultern. «Ich weiß es eben. Mit Christoph habe ich darüber nie geredet, ich will ihm nicht noch mehr Sorgen bereiten. Versprich mir, Catharina, dass du ihm nichts davon erzählst.»
Catharina nickte.
«Ich will die Zeit, die mir mit ihm bleibt, bis zum letzten Augenblick genießen. Und wenn Gott will, sehe ich noch meine Kinder heranwachsen.» Sie sah Catharina an. «Christoph und du – ihr wart einmal sehr verliebt, nicht wahr?»
Catharina stellte die Schale mit den Nüssen auf den Boden. Sie hatte auf diese Frage schon lange gewartet, doch jetzt, wo sie im Raum stand, wusste sie nicht, was sie antworten sollte.
«Das ist lange her», sagte sie schließlich. «Wir waren beide noch Kinder. Er war wohl zu sehr ein Bruder für mich, als dass er hätte mein Mann werden können.» Dann wiederholte sie: «Es ist sehr lange her.»
Am nächsten Tag machten sie vor dem Abendessen einen ausgedehnten Spaziergang in die Berge. Als sie in der Dämmerung zurückkehrten, stellte Sofie fest, dass sie ihre Kräfte ein bisschen überschätzt hatte.
«Ich möchte noch
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