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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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schmalen Weg zwischen den eleganten Geschäften stecken. Ich spähte nach hinten und gewahrte erleichtert, daß die uns folgende Kutsche ihrerseits in einer Schar von Stutzern, die soeben eine Gemäldegalerie verließen, steckengeblieben war.
    »Kutscher, ich habe es mir anders überlegt. Bringe mich zum Palais de Bouillon, ich zahle dir denselben Preis. Fährst du mich in der halben Zeit, verdoppele ich deine Gebühr.« Die lange Peitsche knallte links und rechts von uns, so daß eine Gruppe Lehrlinge davonstob, indes der Kutscher seinen Gaul zu einem geschwinden Trab antrieb. Wieder blickte ich nach hinten. Mein Gegner kam in der Menge nicht voran. Ich sah ihn seinem Kutscher mit der Faust drohen. Gut, er hat mich aus den Augen verloren, dachte ich. Aber ich atmete erst frei, als ich mich unter die Marktfrauen gemischt hatte, welche Vorräte in den Kücheneingang der weitläufigen Residenz brachten. Unauffällig schlich ich durch den Hintereingang zur Wohnstatt des einzigen Mannes in Paris, der mir helfen konnte.

    Ich traf Lamotte an, als er, mit einem rotseidenen Schlafrock und einer persischen Mütze angetan, einem Hilfskoch Anweisungen erteilte.
    »Merke dir«, sagte er, »Monsieur L'Évêque bekommt Ausschlag von Schellfisch, aber Madame wünscht bei diesem Mahl etwas Leichtes, überaus Leichtes. Wir dürfen die Laune unserer Gäste nicht trüben, nicht wahr?« Zur Demonstration der gewünschten Leichtigkeit ließ er seine Finger in der Luft flattern. Interessant, dachte ich. Aus dem gehätschelten Poeten und Stückeschreiber wurde ein maître de plaisir. Mit einem guten Profil konnte man es in den richtigen Kreisen wahrlich weit bringen.
    »Monsieur de la Motte, eine Dienstmagd wünscht Euch zu sprechen, mit einer Botschaft von einer Mademoiselle Pasquier.« Der Lakai machte nicht gerade einen ehrerbietigen Eindruck. Lamotte blickte auf und sah mich in der hohen Flügeltüre des Salons, die nur auf einer Seite ein wenig geöffnet war.
    »Oho, ich kenne diese Dienstmagd, Pierre. Und unterstehe dich, Mutmaßungen über Mademoiselle Pasquier anzustellen, die das Idol meines Herzens kränken würden. La Pasquier ist eine von zahllosen Frauen, die törichterweise für mich entbrannt sind und deren Gunst ich einer helleren, edleren Flamme wegen verschmähe. Nein, Pierre, lasse Madame wissen, daß sie allein meinem Herzen gebietet, ihr Sternenglanz allein meine Muse inspiriert.« Als Begleitung zu diesen Worten schlug er auf die bestickte Seide über seinem Herzen. Er hatte zugenommen. In wenigen Monaten war es ihm gelungen, noch eleganter auszusehen, und sein Schnurrbart war womöglich noch prachtvoller. Ich konnte die katzenhafte Anmut nur bewundern, mit der er, von einem Boudoir der Gesellschaft zum nächsten, bis zur höchsten Stufe aufgestiegen war. Nur zwei Dinge schienen gelitten zu haben: sein Name, der getrennt und mit einer Silbe mehr versehen worden war, und seine Passion für das Verfassen von Tragödien. Seit »Osmin« hatte er für die Pariser Bühne nichts von Bedeutung geschrieben. Doch der Chevalier de la Motte war groß in Mode wegen seiner leichten Verse und der reizenden kleinen Szenen, die er verfaßte, um sie für das Ballett vertonen zu lassen. Nun entließ er sowohl den Koch als auch den Leibdiener, doch es entging ihm nicht, daß letzterer hinter der Flügeltüre stehenblieb, um zu horchen.
    »Welche Botschaft bringst du?« fragte er beiläufig mit lauter Stimme, auf daß sie hinter der Türe zu hören sei.
    »Monsieur de la Motte, Mademoiselle Pasquier liegt tot im Hôtel-Dieu, das Opfer eines entsetzlichen Unglücksfalles. Bei allem, was Euch einst heilig war, bitte ich Euch, kehrt mit mir zurück und helft mir, den Leichnam zu holen.« Wir hörten das Rascheln hinter der Türe, als der Diener sich entfernte. Gut. Eine tote Frau war auch für die eifersüchtigste Schönheit keine Rivalin. Die blasierte Selbstgefälligkeit fiel von Lamottes Gesicht ab, seine Augen blickten plötzlich besorgt.
    »Was – was ist geschehen?«
    Ich sprach jetzt schnell und leise. Wer wußte, wie lange wir allein sein würden?
    »Es war eigentlich kein Unglücksfall – eine – eine verpfuschte Abtreibung. Könnt Ihr ihr vergeben? Sie starb in großer Furcht vor dem Höllenfeuer, in meinen Armen, während sie sich um ihr verlorenes Kind grämte. Sie sagte, Gott wünschte, daß sie stürbe.« Ich wischte mir die Augen, und Lamotte zog ein großes Schnupftuch hervor und schneuzte sich geräuschvoll. »Ich

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