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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Beliars Wappen zu sehen: silberne Skorpione vor schwarzem Hintergrund. Im Hof erklang das Geschnatter und Gegacker von Geflügel. Aus der Küche drang das Klappern der Milchkannen und irgendwo wieherte ein Pferd. Burg Hœnkungsberg erwachte.
    »Was verlangt Velasco von seinem Sohn?« Sie konnte kaum glauben, dass ihr die Worte so ruhig über die Lippen kamen. Innerlich war sie schrecklich aufgewühlt und hatte Mühe, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Denn nun wurde ihr klar, dass sie sich selbst in eine Falle manövriert hatte: Es war Mittsommer und sie saß auf dem Hœnkungsberg fest.
    »Lucian soll sich den Höllenfürsten anschließen.« Aus Elinors Mund klang diese Forderung völlig klar und verständlich. »Sein Wissen über Constantins Ritterrunde und den Konvent wäre genau das, was Beliar fehlt. Daher hat sich Damian bereiterklärt, seinen Platz zu räumen, sollte dein Ritter seine Meinung ändern.«
    Damian. Das war also der zweite Mann gewesen, den Ravenna im Innenhof gehört hatte. »Ich verstehe nicht ganz«, sagte sie. »Velasco könnte das Wissen doch auch aus ihm herauspressen.«
    Elinor fuhr sich mit dem Finger über die Braue. Die mitternachtsblaue Perle pendelte über ihrer Nasenwurzel und warf einen Glanzpunkt auf die Haut. »Gewiss, das könnte er, doch es wäre nicht dasselbe. Zu den Fürsten gehört nur, wer freiwillig in den Tod geht. Nur das höchste Opfer wird von Beliar mit einem Platz in dieser Runde belohnt.«
    »Na klar«, murmelte Ravenna. »Dass ich nicht von selbst darauf gekommen bin …« Das also war mit Oriana passiert. Die kleine Satanistin hatte sich freiwillig geopfert, um ein Blatt am Baum der Nacht zu werden. Ravenna begriff zwar die Zusammenhänge, doch ihr gefiel ganz und gar nicht, was sie soeben erfuhr.
    Die schwere, schwarze Seide raschelte, als Elinor aufstand. »Ruh dich aus!«, befahl sie. »Du bist die ganze Nacht geritten und uns bleiben noch einige Stunden, um uns vorzubereiten. Das Ganze soll im Garten geschehen, kurz nach Einbruch der Dämmerung. Dann ist der Augenblick der Entscheidung gekommen und wir werden sehen, was wir davon haben.«
    Bei den letzten Worten der Marquise durchzuckte Ravenna wieder die Erinnerung an das Gespräch in der psychiatrischen Klinik und sie sprang auf. »Warte! Hör mir zu! Du darfst auf keinen Fall …«
    Doch Elinor hatte die Kemenate bereits verlassen. Lautlos schloss sich hinter ihr die Zwischentür, die in eine weitere Kammer führte. Zurück blieb der Duft von sterbenden Blumen.
    Mit klopfendem Herzen starrte Ravenna auf den Durchgang. Elinor hatte sie die ganze Zeit über in ihren Bann gezogen, das begriff sie in dem Augenblick, da sie allein war. Sie war dem unwiderstehlichen Drang erlegen, der Zauberin vom Hœnkungsberg zuzuhören und beinahe alles zu glauben, was sie sagte. Doch es gab einen Punkt, der sie stutzig machte. Elinor hatte von den vier Fürsten gesprochen, die Beliars Reich mit ihm regieren würden. Sich selbst hatte sie nicht mitgezählt.
    Ravenna ging zum Ausgang. Die Tür war nicht verriegelt, und als sie die Klinke herunterdrückte, öffnete sie sich. Ein Schritt über die Schwelle und sie stand wieder auf der Galerie. Es war beinahe schon heller Tag. Der Wind trug das Brüllen von Vieh und das Jammern der Mägde heran. Hinter einem der zahlreichen Fenster trällerte eine Frauenstimme und im Hof klapperte der leere Eimer in den Brunnenschacht.
    Mit einem leisen Fluch trat Ravenna in die Kemenate zurück. Sie zog die Tür zu und schob den Riegel vor. Ihr Herz klopfte heftig. Elinor hatte sie so lange beschwatzt, bis die Sonne aufgegangen war und sie sich nicht mehr ungesehen in der Festung bewegen konnte. Sie hatte keinen Grund, der schwarzen Marquise zu vertrauen, ganz gleich, was Elinor ihr in diesen frühen Morgenstunden verraten hatte.
    Seufzend hakte sie das Schwert aus, zog den Sessel zum Bett und lehnte die Waffe dagegen. Sie wollte Lucians Klinge in der Nähe haben, falls sie einnickte und sie jemand überraschte. Vollständig angezogen und in Stiefeln krabbelte sie unter den Baldachin. Dann zog sie Yvonnes Hexenbuch aus der Tasche, legte sich auf den Bauch und begann zu lesen.

Zwei Schwestern

    Als die Glocke im Türmchen auf dem Palast Mittag schlug, wusste Ravenna alles. Sie wusste, was mit der armen Merle passiert war und warum die schwarze Katze und ihre Jungen fort waren, als sie mit Lucian aus dem Mittelalter zurückkehrte. Sie wusste, wer die Leute in Yvonnes Wicca-Zirkel waren und

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