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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Aufschrei hallte durch den Garten. Die Linien des Pentagramms begannen in einem weißen Licht zu flackern, als sich das Tor zu öffnen begann. Beliar fluchte und griff nach dem Schwert. Die Schuppenklinge zischte aus der Scheide und beschrieb einen Bogen, der auf Lucians Halsseite zielte. Der junge Ritter erkannte die Gefahr und warf sich zurück, um dem tödlichen Hieb zu entkommen, aber die Fesseln behinderten ihn.
    Mit einem Schrei stürzte Ravenna an Beliar vorbei. Mit voller Wucht schmetterte sie Lucians Klinge auf die Steinplatte mit dem Pentagramm. Als das Eisen über den Felsen scharrte, sprühten Funken auf.
    »Offanier!« Ravennas Stimme überschlug sich.
    Ein Blitz zuckte auf, das Pulver entzündete sich und ein ohrenbetäubender Knall folgte. Das Echo hallte von den Burgmauern wider, so dass sie den Eindruck hatte, der ganze Hœnkungsberg gerate ins Wanken.
    Das Drachenschwert vollendete die Kreisbahn, aber Lucian war nicht mehr dort, wohin die Klinge zuckte. Er und alle anderen, die sich in diesem Augenblick innerhalb des Pentagramms aufgehalten hatten, waren fort. Starr vor Überraschung blickte Beliar auf die Stelle, an der sich Velasco, Damian und Yvonne soeben noch befunden hatten. Dann fing er an zu lachen.
    »Brillant!«, rief er. »Das ist wirklich brillant!« Mit dem Schwert in der Faust drehte er sich zu Ravenna um. »Ich muss sagen, dass hätte ich dir nicht zugetraut. Mit einem einzigen Hammerschlag zerstörst du meine schöne Zeremonie? Das ist der Plan?«
    »Bleib mir vom Leib!«, keuchte sie. Der spöttischen Maske, die Beliar aufgesetzt hatte, traute sie am allerwenigsten. Mit ausgestreckten Armen hielt sie Lucians Schwert, so dass der Teufel eine Klingenlänge Abstand halten musste.
    Beliar grinste. »Komm schon, Raven, der richtig große Spaß fängt doch erst an. Du hast gesehen, dass deine Schwester das Gift getrunken hat, nicht wahr? Yvonne experimentiert hin und wieder ganz gerne mit solchen Substanzen.«
    Ravennas Schwertspitze bebte. »Gift? In dem Becher war Gift?«
    »Was dachtest du denn? Orangensaft?« Wieder lachte Beliar. Er trat zur Seite und wies auf das Pentagramm. Ravenna schwankte, als sie die Blutspritzer entdeckte, die sich in einer breiten Bahn über die Steinplatte zogen. Hatte er Lucian etwa doch getroffen – in dem Augenblick, da ihr junger Ritter verschwand?
    Beliar streckte die Arme aus. Seine Gäste stimmten einen düsteren Choral an, der Gesang war erdrückend. Als der Boden unter ihren Füßen auseinanderbrach, geriet Ravenna ins Taumeln. Der Felsen, in den das Pentagramm geritzt war, splitterte und aus den Rissen stach grelles Licht hervor. Rasend schnell verästelte es sich im Garten.
    Jeder, der von den weißen Strahlen erfasst wurde, verschwand: der Kreis der Teufelsanbeter, die Dämonenkrieger, die die Felsplatte umringten, Oriana und zuletzt sogar Beliar. Dann wurde auch Ravenna von der Helligkeit geblendet und sie spürte, wie sie schwerelos durch Raum und Zeit sank.
    Einen Lidschlag später taumelte sie über einen Grashügel, mitten in einer wilden Berglandschaft. Wetterleuchten erhellte den Horizont und auf dem Gipfel ragte ein Kreis aus uralten Steinen auf. Ravenna brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass sie sich an einem völlig anderen Ort befand – in einem Kreis aus großen Megalithen.
    Die Hexen tanzten zwischen den Steinen. Trommeln und Flöten begleiteten das Drehen und Stampfen, das Klatschen und die wilden Lieder. Die Sieben gerieten erst ins Stocken, als die Dämonenbeschwörer aus dem Nichts auftauchten. Da erkannte Ravenna, wem die Falle galt, die Beliar so sorgfältig vorbereitet hatte: Die Schwarzmagier umringten den Tanzplatz der Hexen mit einem zweiten, dämonischen Bannkreis. Kerzenflammen zuckten in ihren Händen. Weiter außen gingen Armbrustschützen in Stellung, Ritter rückten mit gezogenen Schwertern vorwärts. Beliars Hinterhalt galt nicht den Gästen auf dem Hœnkungsberg: Es war eine Falle, in der die Sieben und ihre Gefährten umkommen sollten.
    »Zu den Waffen! Das ist ein Überfall!«
    Constantins Stimme hallte durch die Nacht. Ravenna begann zu rennen. Als sie Lucian entdeckte, der bäuchlings im Gras lag, gab sie unwillkürlich ein Geräusch von sich, das halb wie ein Stöhnen, halb wie Schluckauf klang. Der Ritter strampelte und fluchte, während Ramon auf seinem Rücken kniete und wütend an den Fesseln zog. Von einer Schnittwunde an der Schulter lief Lucian Blut über den Arm, doch ansonsten wirkte er

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