Die Hexen von Eastwick
gefragt.
Sukie liebte ihre neue Arbeit: in anderer Leute Häuser zu gehen,
sogar auf den Dachboden und in den Kel er und in die Waschküche
und in den Abstel raum bei der Hintertür, war, wie mit Männern zu
schlafen, immer ein bißchen anders im Aroma. Jedes Haus hatte einen
anderen Stil, einen anderen Geruch. Das geschäftige Türauf und
Türzu und Treppauf und Treppab, das Hal o! und Bis dann! zu
Menschen, die gerade selber in Hektik waren, weil sie umzogen, und
dazu immer die leise Ungewißheit: klappt es, klappt es nicht – all das
feuerte die Abenteurerin in ihr an und gab ihrem Charme die Sporen.
Den ganzen Tag buckelig an der Schreibmaschine zu sitzen und
anderer Leute Zigarettenrauch zu inhalieren, war nicht gerade gesund
gewesen. Sie belegte in Westerley einen Abendkurs, bestand die
Prüfung, und im März war sie amtlich anerkannte Hausmaklerin.
Jane Smart gab weiter Stunden, sprang als Organistin in den
Kirchen im South County ein und übte Cello. Es gab gewisse Solo-
Suiten von Bach – die Dritte, mit der herrlichen Bourree, und die
Vierte, die auf der ersten Seite nichts als Oktaven und absteigende
Terzen hat, und daraus wird ein kreiselnder untröstlicher Aufschrei,
und sogar die fast nicht mehr zu spielende Sechste, geschrieben für ein
fünfsaitiges Instrument – da fühlte sie sich ganze Takte lang eins mit
Bach, da deckte sein Geist sich genau mit dem ihren, und seine
Leidenschaft, dahingegangen, verstreuter Staub nur noch, bewegte
ihre Finger und überflutete triumphierend ihr Gehirn, und sein
hartnäckiges Infragestellen der Harmonielehre wurde zu einer Tat
ihrer eigenen kühnen Seele. Das also war die Unsterblichkeit, für die
Männer ihre Pyramiden gebaut und ihre Blutopfer gebracht hatten –
daß ein sich schindender alter mit der eigenen Frau schlafender
lutherischer Kapellmeister wiederaufstand im Nervensystem einer
unverheirateten, nicht mehr ganz frischen jungen Frau in der zweiten
Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Für seine Gebeine wahrlich ein
schwacher Trost. Aber die Musik redete, seine Musik mit ihrer Syntax
von Variation und Reprise, Reprise und Variation; aus der Summe
der mechanischen Vorgänge entstand Geist, ein Atem, der der
abschnurrenden Mathematik des Ganzen Leben einhauchte, wie die
Schritte des Windes die Oberfläche eines stil en schwarzen Wassers
kräuseln. Es war Vereinigung. Jane sah nicht mehr viel von den Neffs,
seit die dauernd mit Brenda Parsley zusammenwaren, und sie wäre
unendlich einsam gewesen, hätte es nicht die Clique um Darryl Van
Horne gegeben.
Früher waren sie zu dritt gewesen, dann zu viert und jetzt waren sie
zu sechst, manchmal sogar zu acht, wenn Fidel und Rebecca auch
noch hinzugezogen wurden – zum touch footbal zum Beispiel, das sie
im hal enden Wohnzimmer spielten; der Riesenhamburger aus Vinyl,
die Siebdruck-Brillo-Kartons, der Neonregenbogen, al es war einfach
beiseitegerückt, stapelte sich unter der Kunst an den Wänden wie
Gerümpel auf dem Dachboden. Eine gewisse Verachtung für die
physische Welt, ein gefräßiger Appetit auf Immaterielles, auf Seelen,
machten Van Horne zu einem schlechten Hüter seiner Habe. Der
Parkettboden des Musikzimmers, den er für teures Geld hatte
abschleifen und versiegeln lassen, zeigte bereits zahlreiche Löcher, die
der Sporn von Jane Smarts Cello gestochen hatte. Die Stereoanlage
im Baderaum war so oft naß geworden, daß alle Platten knisterten
und eierten. Am auffälligsten war, daß die Tennishal e nicht mehr
stand; in einer eiskalten Nacht war durch ein unerklärliches kleines
Loch al e Luft entwichen, und die graugelbliche Leinwand lag schlaff,
zusammengesackt da, in Kälte und Schnee, wie die Haut eines
abgeschlachteten Brontosaurus, und wartete auf den Frühling, denn
Darryl hielt es für überflüssig, sich jetzt damit zu befassen – später
konnte man wieder im Freien spielen, und das machte sowieso viel
mehr Spaß. Beim touch football spielte er immer im Angriff, seine
kurzsichtigen blutunterlaufenen Augen rol ten, wenn er zum Paß
nach hinten ging, und seine Mundwinkel waren spuckenaß vor
Konzentration. Immerfort schrie er: «Decken, Decken!» – er wol te
beschützt werden, wol te, daß Sukie und Alexandra zum Beispiel
Rebecca und Jenny blockierten, wenn die auf ihn losstürzten und ihn
abschlagen wol ten, während Fidel gerade auskeilte, um einen
Vol treffer zu landen, und Jane Smart einen Haken schlug und die
Falle
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