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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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wird eine lange Nacht heute.«
    Rosa wusste nicht, wie sie mit der Decke arbeiten sollte. Der Arzt nahm kurzerhand ihren Gürtel und band die Decke über ihrer Hose damit fest. Die Zipfel verknotete er im Nacken. »Es wäre besser gewesen, du hättest das nasse Zeug zuerst ausgezogen!«
    Rosa wusste, er war im Recht, aber es gab keine andere Lösung. Immerhin hatte der Rum sie etwas aufgewärmt. Auf dem Weg zu dem Verschlag mit den Medikamenten machte sie an Hermanns Kiste halt und sah nach. Alles war genauso nass wie das, was sie am Körper trug. Sie zog den rechten Handschuh aus und wrang ihn, so fest sie konnte, aus. Den linken ließ sie an ihrer Hand, weil die Verletzten in großer Zahl herbeiströmten.
    Sie arbeiteten die ganze Nacht und brauchten fast die Hälfte aller Kerzen auf.
    Viele Männer hatten Quetschungen, Prellungen und klaffende Fleischwunden von herabstürzenden Holzteilen. Auch Willem war schwer am Kopf verletzt worden. Das Schlimmste aber war die Wade des Schiffskochs, durch die sich ein Küchenmesser gebohrt hatte. Der Maat trug ihn voller Panik herbei, der Koch jedoch war bester Stimmung, die offensichtlich vom reichlichen Gin herrührte. Wolfhardt meinte zu Rosa, das sei Glück im Unglück, denn das Herausziehen des Messers würde großen Schmerz verursachen.
    Erst gegen Mittag des folgenden Tages hatten sie alle Verletzten versorgt. Rosa sah immer wieder nach Willem, der noch kein Wort gesprochen hatte, seit er behandelt worden war. Er starrte sie nur mit flehenden Augen an, was in Rosa den Eindruck erweckte, er wollte ihr etwas sagen, doch er blieb stumm.
    Tote gab es zwei zu beklagen, und drei weitere Männer waren über Bord gegangen.
    Alle Frischwasservorräte waren verdorben, weil jemand die Luke nicht geschlossen hatte und so Salzwasser in die Fässer eingedrungen war. Diese Fahrlässigkeit wurde vom Profos mit Auspeitschen geahndet.
    Die Toten wurden feierlich der See übergeben, und der Krankentröster sprach erst Gebete für die Verstorbenen, dann ein Dankesgebet für die Überlebenden. Zum Abschluss der kleinen Zeremonie gab der Kapitän eine Extrarunde Gin für die ganze Mannschaft aus.
    Danach redeten alle davon, dass sie in zwei Tagen die Kapverden erreichen würden, doch – und das machte die Männer wütend – dort würde keiner an Land gehen dürfen. Allerdings kursierten Gerüchte darüber, dass der Kapitän den Huren im Hafen erlauben werde, für ein Schäferstündchen an Bord zu kommen.

28. Kapitel
     
    T atsächlich verbot der Kapitän der Besatzung, das Schiff auf den Kapverden zu verlassen, denn nur eine Sondergenehmigung hatte das Anlanden in Ribeira Grande auf Santiago überhaupt möglich gemacht. Die Portugiesen waren nicht erfreut darüber, dass ihre protestantischen Feinde anlegten, und der Kapitän fürchtete, dass die Männer in Raufhändel verwickelt würden.
    Rosa konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie hörte, dass die Huren deshalb nicht an Bord durften, weil der Kapitän Angst hatte, es könnten verkleidete Männer dabei sein, die das Schiff in ihren Besitz bringen wollten.
    Alle Männer und Wachen waren, seit sie vor zwei Tagen in den Hafen eingelaufen waren, in höchster Alarmbereitschaft.
    »Das ist schlecht, die Besatzung ist sehr unzufrieden. Und das ausgerechnet, bevor wir zum Kap der Guten Hoffnung aufbrechen.« Wolfhardt wandte sich Rosa zu, die, wie so oft in den letzten beiden Tagen, dabei war, das große Fort über dem Hafen anzustarren. Das Forte Real de Sao Filipe. Feindlich sah es aus, fand sie. Abweisend.
    »Warum landen hier überhaupt so viele Schiffe, was gibt es denn hier?« Rosa zeigte auf die vielen Schiffe, die im Hafen ankerten und vom Wind hin und her geschüttelt wurden. »Diese Inseln sehen für mich vollkommen kahl aus.«
    »Hier ist ein wichtiger Knotenpunkt im Sklavenhandel«, erklärte Wolfhardt, und weil er schon wieder leicht angesäuselt war, stolperte seine Zunge über die S-Laute. »Hier landen die Schiffe mit den Sklaven aus Afrika an. Diese werden dann auf die Westindienfahrer verladen, die sie dann in die Kolonien bringen.«
    Sklaven. Rosas Vater hatte sich immer gegen Sklavenhandel ausgesprochen. Ein Mensch sei keine Ware, nirgendwo im Neuen Testament oder in den Zehn Geboten stünde etwas davon, dass man seinesgleichen versklaven und ausnutzen dürfe. Und das, so wurde Rosa überrascht klar, war eine der wenigen Fragen, in denen er mit ihrer Mutter übereingestimmt hatte.
    »Schau, dort drüben!« Der Arzt

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