Die Hexengabe: Roman (German Edition)
hoch und versteinerte jedes Gefühl. Sie wimmerte leise.
Er bemerkte es und ließ sie los.
»Es … ich …«, stammelte Rosa, und sie fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
»Rosa, ich werde dich zu nichts zwingen. Niemals. Ich, nun, ich…« Er atmete stoßweise, wandte sich abrupt von ihr ab und schritt dann zügig landeinwärts.
Rosa sah ihm nach, wollte ihm folgen, doch sie blieb stehen, und ihr Blick fiel auf den Hexenfinger, den er geküsst hatte. Wie sich das für sie anfühlte, hatte er gefragt. Sie war völlig außerstande, diese einfache Frage zu beantworten.
35. Kapitel
I ch versank mit einem Fuß in dem abscheulichen Schnee, von dem Nürnberg schon den ganzen ungewöhnlich harten Winter über heimgesucht wurde, als mich Wurffbain aufhielt und zurück ins Rathaus nötigte.
Dort, im zugigen Flur, war es auch nicht viel besser als draußen. Dabei wollte ich nach dieser überlangen Sitzung nichts mehr als nach Hause und endlich die Eildepesche von Baldessarini lesen.
»Diese Ratssitzung war mehr als unerfreulich, nicht wahr«, meinte Wurffbain.
»Ja, da habt Ihr recht, mein Freund, aber so ist es eben. Jetzt gilt es zu reagieren. Wenn Nürnberg nicht mehr gefragt ist als Messestadt, dann müssen wir eben etwas dafür tun, damit wieder mehr Händler kommen.«
»Das ist leichter gesagt als getan.« Wurffbain seufzte vielsagend und machte mich damit rasend. Ich wollte nach Hause!
»Es wird so gehen wie mit dem Pegnesischen Blumenorden nach dem Tod vom seligen Sigismund von Birken, nämlich bergab.« Er sah mich beifallheischend an. »Und nun auch noch die Sache mit Sandrart. Es geht wirklich bergab mit Nürnberg.«
»Was hat denn dieser weibische Verein von literarischen Schmierfinken mit dem Handel der Stadt Nürnberg zu tun?« Wollte Wurffbain mal wieder darauf hinweisen, dass auch er aus schreibbegabter Familie stammte?
»Ich weiß nicht, warum Ihr die Pegnesier als weibisch abtut, wo von Birken doch allerhöchstens vierzehn Frauenzimmer aufgenommen hat, und ich muss sagen, gerade die von Greiffenberg …«
Ich konnte mir dieses Gefasel wirklich nicht länger anhören. »Worauf wollt Ihr eigentlich hinaus?«
»Nun, die Sache mit der Malerakademie von Sandrart, habt Ihr das nicht gehört?«
»Was denn?« Das zum Kuckuck verkniff ich mir nur knapp. Der Mann konnte einen aber auch verrückt machen.
»Nun, wie Ihr wisst, hat doch die Tochter vom seligen Sandrart, die Susanna Maria, in zweiter Ehe den Wolf Endter geehelicht.«
»Ich bitte Euch, Wurffbain, mein Vater wartet.«
»Das glaube ich Euch unbenommen, doch wo war ich? Also, die Susanna hat jetzt sechs Stieftöchter.«
»Wollt Ihr Euch etwa verehelichen?«
»Nein, nein.« Wurffbain lachte. »Ihr scherzt wohl, ich bin doch bereits in den besten Händen. Um es kurz zu machen …« Wurffbain sah mich erwartungsvoll an.
»Ja?« Manchmal wünschte ich mir das Temperament meines Vaters. Der hätte Wurffbain angeherrscht, dass er endlich zum Wesentlichen kommen solle, und das Gerede abgekürzt. Der stünde nicht hier im Zug mit feuchten Schuhen, sondern säße längst schon am Kamin vor einem prasselnden Feuer, die Pfeife im Mund.
»Die Töchter spielen am liebsten ein Wissensspiel mit Karten, welche sie beim seligen Zapf bestellt und nach seinem Tod erhalten haben. Angesteckt von deren Begeisterung, hat sich die Susanna dann all die Bilder angesehen, die der selige Zapf gestochen hat, und schlug vor, den Zapf nun doch posthum in die Malerakademie aufzunehmen. Und jetzt will sie die Witwe aufsuchen, um sich die restlichen Bilder anzuschauen.«
Unfasslich, dass allein der Name Zapf einen solchen Aufruhr in meinem Körper auslösen kann, immer noch. Ich muss mich vorsehen, dass Wurffbain nichts davon merkt.
»Seit wann entscheiden denn die Weiber darüber, wer in die Akademie aufgenommen wird? Und was ist das für ein Unsinn von wegen der Aufnahme posthum? Einen Spielkartendrucker! Wo kommen wir denn da hin? Ihr habt recht, es geht bergab mit Nürnberg.«
»Näheres weiß ich auch nicht, nur, dass die Susanna mit ihrer Freundin, der Eimmarttochter, darüber parliert hat. Deren Vater, Georg Christoph Eimmart, möchte in den Vorstand der Akademie und will sich lieb Kind machen mit so was.«
»Redet Ihr von dem Eimmart, der die Sternwarte auf der Vestnertorbastei gegründet hat? Der Mann ist angesehener Astronom – was kümmert der sich um den seligen Zapf?«
Wurffbain nickte.
»Ja, hat denn der vom Sternegucken ein Loch
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