Die Hexengabe: Roman (German Edition)
begannen.
»Beshir wird ungeduldig – was ich soll sagen?«
Es war sicher unmöglich, die beiden einfach aus dem Harem zu entführen, sie waren Eigentum des Khans, und der hatte eine ganze Armee zur Verfügung.
Verdammt, Rosa! Denk nicht daran, was unmöglich ist, sondern lieber an das, was möglich ist. Bluffen , hätte ihr Vater gesagt, probier es mit Bluffen . Einen Trick brauchte sie! Alle Kartentricks, die sie kannte, funktionierten durch Täuschung und Ablenkung. Täuschung … Langsam dämmerte ihr eine Möglichkeit.
Wenn dein Gegner viel stärker ist als du, dann brauchst du ein Trojanisches Pferd , hatte ihr Vater gesagt. Du lenkst die Menschen ab, und sie merken nicht, was du ihnen unterjubelst …
»Sag Beshir Aga, dass ich nicht allein kommen werde, sondern in Begleitung meiner Frauen. Frag ihn, wann ich kommen soll.«
Nandi nickte und übersetzte, allerdings redete er sehr lange, und was er sagte, brachte die Frauen wieder dazu zu kichern, was dem Haremswächter nicht gefiel. Doch dann antwortete er kurz, nickte bestätigend und preschte in scharfem Galopp davon.
Unwillkürlich atmete Rosa auf.
Die Frauen kamen näher und redeten aufgeregt miteinander.
»Nandi, sag ihnen, dass ich jetzt keine Zeit habe, sag ihnen, sie wären alle von mir gesegnet und dass sie nach Hause gehen sollen. Ich muss mit dir und Usha reden.«
Nandi scheuchte die Frauen mit ausladenden Armen weg, als wären es Hühner, und sah sie dann neugierig an.
»Wann werden wir erwartet?«
»Heute, wenn ist Sonne untergegangen.«
»Nandi, Usha, ich habe einen Plan.«
Die drei setzten sich eng zusammen, dann erzählte Rosa, was sie vorhatte.
»Du kommst mit mir, Nandi, und dann brauchen wir noch weitere Frauen, die uns begleiten.«
Nandi grinste breit. »Aber ich keine Frau bin.«
Rosa blieb ernst. »Das werden wir ändern.«
Nandi sprang erschrocken auf und hielt die Hände vor seinen Schritt.
»Nein, keine Angst!« Rosa lachte. »Wir verkleiden dich als Frau. Du musst für mich übersetzen, wie soll ich denn sonst mit den Frauen im Palast reden?«
Nandi setzte sich wieder, schüttelte aber die ganze Zeit den Kopf. »Man merken wird es sofort.«
»Werden sie uns denn durchsuchen?«, fragte Rosa.
»Nein, ich glaube nicht. ›Atithi devo bhava‹ – ein Gast ist wie ein Gott -, gegen das Gesetz von Gastfreundschaft zu verstoßen wäre explosive Beleidigung.«
»Gut.« Rosa verkniff sich ein Lächeln. Explosive Beleidigung.
Dann kann ich den Dolch von Siranush griffbereit halten, dachte Rosa, und so wird auch niemand bemerken, dass Nandi ein Mann ist. Aber Nandi schüttelte immer noch den Kopf.
»Wir werden mindestens fünf Frauen brauchen, die mitkommen.«
»Warum so viele?«, wollte Nandi wissen, nachdem er für Usha übersetzt hatte.
»Damit es nicht so auffällt, wenn nur drei von ihnen wieder mit herauskommen, zwei aber drinbleiben. Glaubst du, wir finden zwei, die uns helfen?«
Usha wandte sich an Nandi.
»Wir nicht verstehen«, übersetzte Nandi.
»Zwei der Frauen, die mit mir hineingehen, werde ich beim Hinausgehen durch meine Schwester Dorothea und Kaspar ersetzen. Es müssen also zwei andere Frauen zurückbleiben.«
Nandi riss seine Augen weit auf, übersetzte hastig, und Usha spuckte ihren ausgekauten Betelklumpen in die Schale.
»Diese Frauen«, stotterte Nandi, »werden gehen Tod.« Und er verdrehte die Augen und ließ den Kopf hängen, als ob man ihm die Kehle durchgeschnitten hätte.
Nein, dachte Rosa, das kann nicht der Preis dafür sein, dass ich Dorothea und Kaspar dort heraushole, oder vielleicht doch?
Nein, das war unmöglich. Ihr wurde heiß. Unfassbar, dass sie es auch nur eine Sekunde in Erwägung gezogen hatte. Wie grausam sie auf dieser Reise geworden war! Erst hatte sie Luis im Stich gelassen, und nun gingen ihr solche Gedanken durch den Kopf.
Ein heftiger Wortwechsel zwischen Usha und Nandi unterbrach ihre Grübeleien.
»Was ist?«, fragte sie Nandi.
»Usha sagt, dieser Plan sehr gefährlich. Wie wir finden Dorothea? Wie wir finden Kaspar? Ist er nicht zu alt für Harem? Aber sie sagt, ist auch Plan wie von echte Nagini, und sie kommt mit. Glaubt, niemand sie töten würde.«
Rosa wurde tiefrot. Bei der Vorstellung, dass Usha durch ihre Schuld sterben könnte, wurde ihr klar, dass sie das nicht tun konnte. Täuschen ja, aber keine Unschuldigen dem sicheren Tod preisgeben.
Was, wenn Usha recht hatte und Kaspar nicht im Harem war?
Egal, sie musste erst einmal dort hineinkommen.
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