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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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verdiente Siranush an den Eifersüchtigen.
    Als der Markt am Abend geschlossen wurde, rieb sich Siranush freudig die Hände, sodass ihr Schmuck klirrte. Der Beutel an ihrem Gürtel war prallvoll mit Münzen.
    »Wunderbar, wunderbar! Hast du Geld, bist du Herr, hast du keins, bist du Knecht.«
    Sie hängte mit Carlo die Plane für die Nacht über den Karren und zerrte die Truhen, in denen sie ihren Besitz verstaut hatten, unter dem Wagen hervor. »So viel verdient, ohne ein einziges Stückchen Terra armena verkaufen zu müssen. Ihr werdet sehen, in drei Tagen wissen es dreie, nach drei Tagen weiß es die ganze Welt: Unser Engel spricht lautere Wahrheit. Jetzt raus aus deinem Kostüm, Engel.«
    »Ich habe Hunger«, sagte Carlo, der sich von seinem Buckelkostüm befreien wollte.
    »Schsch, nein, du nicht, das geht nicht, die Leute müssen dich immer mit dem Buckel sehen. Solange wir hier sind, müsst ihr beide stumm bleiben, sonst halten uns alle für Betrüger, und das können wir uns nicht leisten.«
    »Das hat sie sich ja gut ausgedacht«, flüsterte Carlo Rosa zu. »Sie hat uns unsere Stimme einfach weggenommen.«
    Rosa musste über Carlo lachen, obwohl sie völlig erschöpft war. Ihre Stummheit war schließlich seine Idee gewesen.
    Sie war froh, dass sie ihr unbequemes Kleid endlich ausziehen durfte.
    »Vorsichtig, du zerreißt ja alles! Denk daran, was es gekostet hat, Achtschigges!« Siranush brummelte und grummelte und legte das Kleid behutsam in eine eigens dafür gekaufte Truhe.
    »Ihr bleibt hier, ich besorge uns etwas Schmackhaftes zu essen und zu trinken. Wacht gut über alles! Auf diesen Messen wimmelt es nur so von Dieben und Gesindel.«
    Carlo beugte sich zu Siranush und flüsterte ihr etwas ins Ohr, was Rosa nicht verstehen konnte, aber Siranush war wütend. »Nein, ein für alle Mal! Wir können nicht in ein Gasthaus gehen, wenn ihr Stumme seid, das haltet ihr nicht durch. Diese Messe dauert vierzehn Tage; sobald wir die Tore von Bozen hinter uns gelassen haben, könnt ihr wieder so viel plappern, wie ihr wollt.«
    Carlo murrte vor sich hin, während Rosa sich nur im Hemd einfach längs auf den Karren fallen ließ. Ihre Beine schmerzten, obwohl sie ab mittags auf einem Schemel hatte sitzen dürfen. Sie hatte früher auch schon in der Werkstatt ihres Vaters den ganzen Tag gearbeitet, aber das war in einem ruhigen Zimmer gewesen, unterbrochen von Brotzeiten und Mittagessen. Sie hätte sich jetzt gern das Gesicht gewaschen, es kam ihr vor, als müsste es schmutzig sein von all dem Anstarren und von den schrecklichen Fragen.
    Besonders berührt hatte sie eine junge Frau, die alt wie eine Greisin gewirkt hatte, weil sie sich so vorsichtig bewegte, als wäre ihr Körper eine einzige Wunde. Sie hatte keine Probefrage gestellt, sondern nur eines wissen wollen. Ob das Kind in ihrem Bauch endlich ein Junge wäre?
    Rosas Finger war kalt geworden, aber ganz anders als sonst, wenn jemand log. Ihr Finger war wie tot, vollkommen gefühllos geworden. Und obwohl Rosa das noch nie erlebt hatte, war sie sicher, dass dieses Kind bereits tot war, aber konnte sie das sagen? Sie hatte blitzschnell überlegt, was sie tun sollte, und sich dann dafür entschieden, mit »ja« zu antworten, damit die junge alte Frau wenigstens so lange, bis das Kind tot geboren würde, ein paar glückliche Tage verbringen konnte. Und als sie gesehen hatte, mit wie viel mehr Elan die Frau vom Karren gestiegen war, da war sie froh gewesen über ihre Entscheidung.
    Unwillkürlich betrachtete Rosa ihre nackte Hexenhand, ihrem hässlichen Finger war die viele Arbeit nicht anzumerken, aber ihr Handgelenk war immer noch geschwollen. Sie hoffte, dass sie so schnell wie möglich zu Geld kommen würde, um sich endlich wieder einen Handschuh leisten zu können. Die Glacéhandschuhe durfte sie nur bei ihren Auftritten anziehen, damit sie nicht schmutzig wurden. Verstohlen betrachtete sie Carlos entstelltes Gesicht und fragte sich wieder einmal, wie er es aushielt, von allen wie ein Monster behandelt zu werden.
    Als ob Carlo ihren Blick gespürt hätte, kam er näher und legte den Arm um sie. »Ist gut gelaufen, nicht?«, wisperte er. Sie entzog sich seiner freundlichen Umarmung, weil ihr die Nähe eines Mannes, sogar die eines so freundlichen Mannes wie Carlo, immer noch Schweißausbrüche verursachte. Carlo nahm es ihr nicht übel, blieb dort, wo er war, und zog ein Stück Weidenholz aus seiner Hosentasche. Wann immer er ein wenig Zeit hatte, schnitzte er

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