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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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aushändigt, sind bestimmt vorher geöffnet und zensiert worden.«
    »Dieses Biest von einer Oberin macht uns das Leben unnötig schwer. Weshalb tut sie das?«, entgegnete die Comtesse und knirschte vor Erbitterung mit den Zähnen.
    »Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen, wenn wir uns nicht damit zufriedengeben wollen, wie unmündige Kinder eingesperrt zu werden.«

KAPITEL 69
    »MADAME LA COMTESSE, ich übergebe Euch einen Brief von einem Priester, der wohl im Schloss Eures Herrn Vaters lebt.«
    Die Äbtissin befleißigte sich ausnahmsweise einer beinah freundlich zu nennenden Miene, als sie das Schreiben von Pater Ambrosius Feyerling der Gräfin aushändigte.
    Adelaide warf einen raschen Blick darauf.
    »Er ist Benediktiner und der Beichtvater meines Vaters und meines Bruders«, teilte sie der Ehrwürdigen Mutter mit, deren brennende Neugier ihr ins Gesicht geschrieben stand.
    Mittlerweile hasste die Gräfin ihre unberechenbare Kerkerwächterin beinahe, aber sie wollte sich die Zeit ihres erzwungenen Aufenthaltes nicht noch unangenehmer gestalten, als sie bereits war.
    Die Nonne blieb bei Adelaide stehen und schien offenbar darauf zu warten, dass die Comtesse den Brief öffnete und ihr vorlas.
    »Falls sich in dem Schreiben etwas findet, das von allgemeinem Interesse ist, werde ich es Euch wissen lassen, Madame«, versprach daher die Comtesse, verbeugte sich höflich und suchte ihre Zelle auf.
    Was würde der gute Vater Ambrosius ihr wohl mitzuteilen haben? Mit bangem Herzen öffnete sie den Umschlag, entfaltete das Schreiben und begann zu lesen …
    Dass ihr Bruder, Graf Hasso, seine württembergische Braut zur Frau genommen hatte, wunderte sie nur insofern, als die Hochzeit offensichtlich etliche Monate vorher stattgefunden hatte.
    Kurz darauf wusste sie, weshalb.
    Der Kaiser hatte nachdrücklich darum gebeten, dass Adelige sich seinem Heer anschließen sollten. Ehe Hasso in den Krieg zog, hatte er anscheinend noch eine Familie gründen wollen.
    »Es darf nicht sein, dass nur Wallenstein über ein riesiges Söldnerheer verfügt. Auch Seine Majestät legt Wert darauf, gute Männer um sich zu haben, und Euer Bruder will ebenfalls Deutschland dienen, aber er zieht es dabei vor, unter dem direkten Befehl des Kaisers zu stehen, als unter dem Kommando Maximilians von Bayern«, hatte Pater Feyerling geschrieben. »Die feindlichen Soldaten gehen in Bayern immer noch mit größter Brutalität gegen die Bevölkerung vor«, las die Comtesse, »aber nicht nur die gegnerischen Heere, selbst die Söldner im eigenen Land sind die Todfeinde der Landbevölkerung. Um Städte und Burgen zu verteidigen, werden die Bauern zur Zwangsarbeit beim Bau von Lagerhütten und Schanzanlagen verpflichtet. Oft bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die eigenen Häuser und die ihrer Nachbarn einzureißen, um genügend Holz für die Armee zu liefern. Die Bauern müssen den Kämpfern Quartier und Nahrung gewähren und zu alledem noch eine Kriegssteuer entrichten, daher verfällt in weiten Teilen des Reiches die Landwirtschaft. Vieh und Geflügel sind längst geschlachtet, niemand bestellt die Äcker und Felder, und so brechen verheerende Hungersnöte aus.«
    Dann zitierte der Pater den englischen Reisenden Thomas Roe, der nach seinem Besuch im Deutschen Reich Folgendes notiert hatte: »In den Wäldern und auf den Straßen jagt der Mensch den Menschen wie das Wild.«
    Und um es zu verdeutlichen, was damit gemeint war, fuhr der Benediktiner fort: »Um nicht den Hungertod zu sterben, kochen die armen Leute Eicheln, Tierhäute und sogar Gras. Auf den Märkten wird Fleisch von Katzen, Hunden und Ratten zum Kauf angeboten. Ja, selbst Fälle von Kannibalismus sind bekannt geworden: Man reißt die Leichen der Verbrecher von den Galgen und verzehrt sie. Auf den Friedhöfen tauchen vor Hunger halb wahnsinnige Menschen auf und bitten die Totengräber um frische Leichname. Und das Allerschlimmste: Mütter essen ihre eigenen Kinder.«
    Beim Lesen dieser Zeilen wurde es Adelaide übel. Das konnte doch nicht sein! Sie überwand schließlich ihren Ekel und las weiter. »Menschenfresserei stellt in allen großen Religionen, bei denen die Anhänger nur an einen Gott glauben, eine Todsünde dar. Bei uns Christen verletzt sie ein großes Tabu. Das Essen von Leichen ist das sündhafte Ende aller Zivilisation und der Untergang unserer abendländischen Kultur. Der extreme Nahrungsmangel zwingt diese armen Menschen nun dazu, sich zu entscheiden, entweder dieses

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