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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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sogar zu einem Aufstand.
    Der »Löwe aus Mitternacht« zeigte daraufhin, dass er auch anders konnte und reagierte mit äußerster Brutalität gegen die Aufständischen. Eine wutschnaubende, völlig entfesselte Soldateska verwüstete das Land Bayern, folterte, steckte die Häuser in Brand, schändete und mordete. Hemmungslos und überaus grausam fielen sie über die völlig unzureichend ausgerüsteten Bauern und deren Weiber und Kinder her.
    »Diese Welle ungebremster Vernichtung war beileibe nicht das Werk einzelner, sich der Disziplin entziehender Soldaten; nicht nur einige wenige entgleisten, nein, der Schwedenkönig hat sie ganz bewusst auf die Menschen losgelassen«, klagte Herr von Garsbach. »Gustav Adolf wollte nichts weniger als den totalen Ruin des Landes östlich des Lechs. Was die schwedischen Soldaten nicht mitschleppen konnten, das zerstörten sie – selbst die junge Saat rissen sie aus den Äckern, um eine Ernte unmöglich zu machen.«
    Und Ferfried hatte nicht versäumt, in seinem anschließenden Brief an die Tochter darauf hinzuweisen, wie klug es doch im Ortenauischen gewesen war, sich dem haushoch überlegenen Feind nicht in kindisch verblendetem Stolz entgegengestellt zu haben.
    Erschüttert las die Comtesse weiter: »Mit Sicherheit wäre auch die Stadt München ein Opfer der rasenden Truppen Gustav Adolfs geworden, wenn nicht zum Glück noch rechtzeitig eine Delegation der berühmtesten und ältesten Geschlechter der Stadt dem König entgegengezogen, sich ihm zu Füßen geworfen und um Gnade gebettelt hätte.
    Auch der französische Gesandte, Monsieur de St. Étienne, schloss sich ihren Bitten um Schonung an, und so ließ sich der schwedische Monarch endlich erweichen. Die Stadt München blieb so von allen Gräueln verschont.«
    Kurfürst Maximilian II. war übrigens beim Herannahen der schwedischen Krieger mit seiner Familie nach Regensburg geflohen …
    Gustav Adolf willigte in die vollkommene und bedingungslose Kapitulation ein, und dieses Abkommen schützte nicht nur das Gebiet der Stadt, sondern auch das gesamte Umland Münchens vor Zerstörung und Plünderung. Und der Rat der Stadt verpflichtete sich zur Zahlung einer gewaltigen Summe in Goldtalern, und zur Absicherung stellte man dem König eine Reihe von bedeutenden Geiseln zur Verfügung.
    »Gustav Adolf war mit dieser Lösung zufrieden; so schonte der Verwüster des Bayernlandes die Hauptstadt und unterließ es sogar, der katholischen Bevölkerung Restriktionen bezüglich ihres Glaubens aufzuerlegen. Im Gegenteil, der König besuchte das Jesuitenkolleg in München und befragte die frommen Väter hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen Zeremonien und besonders der des Weihwassers«, schloss der adlige Freund des Grafen Ferfried.
    »Man merkt meinem Freund Garsbach seine Enttäuschung über die feige Flucht seines Kurfürsten an, obwohl er sich als treuer Untertan und Beamter des bayerischen Herzogs für dessen Haltung um Verständnis bemüht«, hatte Adelaides Vater geschrieben.

KAPITEL 68
    ANDERS LAUTENDEN BEHAUPTUNGEN zum Trotz, zählten große Feldschlachten in diesem Krieg zu den eher seltenen Vorkommnissen im soldatischen Alltag eines Söldners, denn die Feldherren legten es nicht darauf an, möglichst blutige Schlachten zu schlagen. Man betrachtete viel eher das kunstvolle Manövrieren als Inbegriff einer gekonnten Strategie. Nicht wenige Feldzüge erschöpften sich deshalb darin, wochen-, selbst monatelang eine einzige Stadt zu belagern und deren Bewohner systematisch auszuhungern.
    Das Leben der meisten Soldaten verlief auf diese Weise recht unspektakulär; manch einer erlebte womöglich nie ein Gefecht. Hauptsächlich erschöpfte sich das Leben in unendlichen Schindereien, in Hunger und Krankheiten.
    Durchschnittlich marschierte man zwischen fünf und zehn Kilometer am Tag von einem Lagerplatz zum nächsten. Der höchste Triumph, der den Männern beschieden war, bestand üblicherweise darin, dass sie einen warmen, trockenen Schlafplatz gefunden hatten, dass sie etwas zu essen und zu trinken bekamen und dass sie von Typhus, Ruhr, Tuberkulose und der Syphillis bewahrt blieben – oder sich wieder davon erholten …
    Dieser bereits Jahrzehnte andauernde Krieg bestand hauptsächlich aus müßigem Warten und Schlafen. Es war ein äußerst monotones Leben, das nur gelegentlich für kurze Zeit von einem entsetzlichen Hauen und Stechen unterbrochen wurde, ehe es wieder in Langeweile, Nässe, Kälte, Dreck, in bohrendem Hunger,

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