Die Hexengraefin
versteckt unverschämten Blick passen wollten, den ihr der etwa Mitte vierzig Jahre alte, kaiserliche Beamte zuwarf. Trotzdem bot er der jungen Gräfin und ihren Begleitern eine Erfrischung an, die Adelheid gerne annahm. Die junge Magd servierte diese in Kürze. Die träge Wirtschafterin ließ sich die ganze Zeit über nicht blicken.
»Was sollte gestern diese unglaubliche Inhaftierung der unbescholtenen Jungfer Helene Hagenbusch? Warum hat man meinen Vater, den Grafen, nicht vorher davon in Kenntnis gesetzt? Er hätte dieses Fehlverhalten subalterner Kreaturen natürlich sofort unterbunden. Um diesen ärgerlichen Irrtum zu korrigieren, verlange ich nun die unverzügliche Freilassung besagter Jungfer, die zudem eine gute Freundin von mir ist. Außerdem möchte ich wissen, warum jemand auf den absurden Gedanken verfallen konnte, Helene Hagenbusch hätte es verdient, im Hänsele-Turm eingekerkert zu werden«, sagte Adelheid empört. Den Ausdruck »Hexe« hatte sie dabei wohlweislich vermieden.
»Hm, hm«, räusperte sich der Vogt umständlich, ehe er sich zu einer Erwiderung bequemte. Auf seine höfliche Aufforderung hin hatte sich Adelheid auf einem Diwan niedergelassen; der kaiserliche Beamte saß ihr gegenüber auf einem Stuhl mit hoher Lehne.
»Es tut mir sehr leid, Frau Gräfin«, begann er schleimig, »aber leider vermag ich in diesem Fall überhaupt nichts für Eure Freundin zu tun. Die Causa verhält sich nämlich so«, er leckte sich genüsslich die dicken Lippen, »dass fünf Zeugen gegen die genannte Helene Hagenbusch ausgesagt haben, sie hätten diese bei zauberischem Tun mit eigenen Augen beobachtet. Ferner beschwören sie, dass das Mädchen auch lachend zugegeben habe, eine Hexe zu sein und dass sie über alle einen Schadenszauber aussprechen würde, die etwas gegen sie zu unternehmen gedächten. Wie Ihr Euch sicher denken könnt, war die Obrigkeit in diesem Falle leider gezwungen einzuschreiten.«
Der Vogt verkniff es sich, ein zufriedenes Grinsen zur Schau zu stellen. Maximilian Veigt blieb bei seiner widerwärtigen Maskerade ehrlichen Betroffenseins. »Ich bedauere es unendlich, der Frau Gräfin in diesem Falle nicht gefällig sein zu können«, schloss er seine Rede, erhob sich und knickte in einem tiefen Bückling zusammen.
»Was ist denn das für ein Unsinn? Wer sind diese sogenannten ›Zeugen‹?«, fragte Adelheid aufgebracht. »Den möchte ich sehen, der ehrlichen Gewissens eine solche infame Anschuldigung vorbringen kann«, fügte sie wütend hinzu.
»Und wieder muss ich bedauern, edle Dame«, behauptete mit mühsam unterdrückter Freude der Vogt, »darauf kann und darf ich Euch zu meinem Leidwesen nicht antworten. Das ist Sache des Gerichtes. Wendet Euch dahin – die Herren werden beraten, ob Ihr befugt seid, darüber unterrichtet zu werden. Aber ich denke, der Oberste Richter und Stabträger, Herr Bertold Munzinger, wird Euch gerne Auskunft erteilen, Frau Gräfin.«
Mit boshaftem Lächeln beobachtete der Landvogt Maximilian Veigt die Tochter des Grafen Ferfried. Es war nicht zu übersehen, dass er es genoss, eine von Ruhfeld zu düpieren – hatte ihn in der Vergangenheit der Graf doch des Öfteren seiner Meinung nach schlecht behandelt. Sogar beim Kaiser hatte er ihn schon wegen Inkompetenz und Faulheit angeschwärzt und nur die Fürsprache des Straßburger Bischofs hatte ihn ein paar Mal aus prekären Situationen gerettet …
Adelheid verließ schweigend das Haus des Vogts, vor dessen Tür sich mittlerweile ein mittlerer Volksauflauf gebildet hatte. Einer ihrer Knechte musste ihr tatsächlich den Weg zu ihrem Pferd bahnen, so dicht gedrängt standen mittlerweile die neugierigen Bürger.
Hinter sich hörte Adelheid die Stimme der Haushälterin des Vogts aus einem Fenster im oberen Stockwerk auf die Straße keifen: »Marsch, packt euch, Gesindel! Es hat sich überhaupt nichts Wichtiges ereignet.« Und sie knallte das Fenster wieder zu.
»Nichts Wichtiges«, murmelte die Gräfin wütend, »außer, dass ein unschuldiges Geschöpf im Kerker schmachtet.«
Nach kurzem Überlegen beschloss sie, sofort den Obersten Richter, Bertold Munzinger, aufzusuchen. Von diesem erhoffte sie sich Aufklärung der abstrusen Geschichte und die Nennung dieser angeblichen »Zeugen«.
Adelheid war eine ausdauernde Reiterin, deshalb erreichte sie schneller als üblich das Anwesen Munzingers. Auch der Richter residierte in einem stattlichen Herrenhaus mit Erkern und Balkonen und einer eleganten,
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