Die Hexenjagd von Salem Falls
ankam, wem sie am meisten glaubten. Die Richterin rief seinen Namen. »Mr. Houlihan!«
»Ja, Euer Ehren. Entschuldigen Sie.« Er zerrte an seinem Kragen, weil ihn seine Krawatte fast erwürgte. »Der Staat ruft Gillian Duncan in den Zeugenstand.«
Ein Blitzlichtgewitter setzte ein, und die Zuschauer reckten die Hälse, um die Hauptbelastungszeugin besser sehen zu können. Aber die Türen gingen nicht auf; das Mädchen kam nicht herein. Matt wollte den Gerichtsdiener fragen, wo denn seine Zeugin blieb, doch die Stimme der Richterin kam ihm zuvor. »Mr. Houlihan, wo liegt das Problem?«
»Meine Zeugin«, sagte Matt. »Ich kann sie nicht finden.«
»Da vorne ist sie doch.« Die Richterin zeigte auf den Zeugenstand.
Doch Matt konnte nichts sehen. Er ging rasch zum Zeugenstand, die Beine weich wie Pudding, und legte eine Hand auf das Geländer. »Bitte nennen Sie Ihren Namen fürs Protokoll«, sagte er. Als keine Antwort kam, spähte er nach unten in den Zeugenstand.
Und da lag seine eigene kleine Tochter und lächelte zu ihm hoch, als wüßte sie, daß er sie retten könnte.
Es bereitete ihm ein klammheimliches Vergnügen, als er sah, wie Jack, begleitet von einem Vollzugsbeamten, an der Tür des kleinen Besprechungsraumes auftauchte und sich den Schlaf aus den Augen rieb. »Jordan«, sagte er, »es ist mitten in der Nacht.«
»Hat Sie beim letzten Mal auch nicht gestört.« Jordan lehnte sich zurück und musterte seinen Mandanten.
»Was ist?« fragte Jack und blickte an seinem Overall hinunter, als wären Blutflecken oder sonstige belastende Spuren darauf. »Bin ich schon verurteilt worden?«
Jordan mußte fast lächeln. »Das hätten Sie mitgekriegt.«
»Warum sind Sie hier?«
Jordan stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Weil ich«, sagte er langsam, »weil ich so was Ähnliches wie eine spirituelle Erleuchtung erlebe.«
Jack musterte ihn argwöhnisch. »Wie schön für Sie.«
»Und auch für Sie.« Jordan schob Jack einen dicken Umschlag über den Tisch zu. »Ich habe heute die von der Staatsanwaltschaft offengelegten Beweismittel bekommen. Jedenfalls alles bis auf den Laborbericht.« Während er zusah, wie Jack den Packen öffnete und die Seiten überflog, räusperte Jordan sich verlegen. »Ich sage Ihnen jetzt etwas, das ich nicht oft gesagt habe und noch nie direkt zu einem Mandanten, also kommt es mir nicht ganz leicht über die Lippen. Verdammt.« Er schüttelte den Kopf und Röte stieg ihm ins Gesicht. »Drei kleine Worte, und ich bring sie nicht raus.«
Jack blickte auf, mit wachsamen Augen. »Sie wollen mir doch hoffentlich kein Liebesgeständnis machen, oder?«
»Gott, nein«, sagte Jordan. »Ich glaube Ihnen.«
Jack sog scharf die Luft ein. »Sie tun was?«
»Ich denke, das Mädchen lügt. Und ich weiß nicht, wo Sie zur Tatzeit waren, aber jedenfalls nicht bei ihr.«
Er sah, wie Jacks Augen vor Verblüffung ganz dunkel wurden. »Ich hätte Sie zwar in jedem Fall rausgeboxt«, sagte er unverfroren. »Aber jetzt will ich es auch.« Er fühlte sich trunken, ihm schwindelte. Als hätte sich etwas, das lange in ihm festgebunden war, endlich befreit, etwas, das ihn in die Lage versetzte, Berge zu besteigen, Riesen zu erschlagen.
Fassungslos wandte Jack den Blick ab. »Ich kann’s nicht glauben.«
Jordan lachte auf. »Jack«, sagte er. »Da sind Sie nicht der einzige.«
Juni 2000
Salem Falls,
New Hampshire
Das Blut auf der Bluse des Opfers stammte eindeutig vom Tatverdächtigen.
Matt spürte, wie ein Lächeln in ihm aufstieg. »Ich wußte es«, murmelte er. Er hatte sich auf Wunsch von Frankie mit ihr in einem Restaurant im Stil der fünfziger Jahre getroffen.
Sie blickte zu Matt hoch. »Sie können es bestimmt kaum erwarten … also, ja, der Fleck, den wir auf dem Oberschenkel entdeckt haben, war Sperma.«
»Ja!« Matt schlug vor Freude mit der Faust auf den Tisch. Vergewaltigungsfälle ohne DNA -Beweise waren so gut wie nicht zu gewinnen.
»Ich bin noch nicht fertig.« Frankie legte den Kopf schief. »Was wissen Sie über DNA ?«
»Bei O.J. Simpson hat sie für einen Schuldspruch nicht gereicht.«
»Und was noch?«
»Na ja … daß ich deshalb zehn Zehen habe«, antwortete Matt.
»Und zweifellos diesen rasiermesserscharfen Verstand«, sagte Frankie trocken. »Hatten Sie überhaupt mal Bio in der High-School?«
»Ich bin ein Mann des Wortes, kein Wissenschaftler.«
»Also schön. Genetik für Anfänger: Alles an Ihnen kommt von Mom und Dad. Sie hat Ihnen eine Erbanlage, ein
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