Die Hexenjagd von Salem Falls
hätten sich immer um diese Uhrzeit getroffen. Jeden Abend, um sieben, im Umkleideraum.«
Es war befreiend und deprimierend zugleich, daß dieser Mann auch ein Opfer von Jack war. Doch so sehr Jay Kavanaugh sich auch hintergangen fühlte, er hatte Jack nicht durch seinen Schutzwall gelassen, nicht in sein Herz, seinen Körper. Er hatte Jack nicht sagen hören »Ich liebe dich«. Er hatte nicht mit großen Augen zugehört und es geglaubt.
»He«, sagte Jay. »Sie sind ja ganz woanders.«
»Nein, ich denke nur nach.«
»Über Jack?«
Addie schüttelte den Kopf. »Darüber, daß ich Männer nicht leiden kann.«
»Sie dürfen nicht von Jack auf alle Männer schließen. Die meisten von uns sind um einiges beschränkter als er und haben nicht annähernd das Zeug dazu, solche Tricks durchzuziehen.« Jay schmunzelte. »Im nachhinein ist man immer klüger. Und nach einer Weile tut es auch nicht mehr so weh. Ich hatte zehn Monate Zeit, darüber nachzudenken. Aber ich weiß noch genau, wie ich an meinem Schreibtisch gesessen habe, nachdem ich ihn festgenommen hatte – meinen besten Freund! – und mich gefragt habe, wie zum Henker ich so blind sein konnte.«
»Was ist aus der Schülerin geworden?« fragte Addie.
»Sie ist nicht mehr in Westonbrook. Sie kriegt jetzt angeblich Privatunterricht und soll auch keinen Kontakt mehr zu ihren Freundinnen in Loyal haben.« Er hielt inne, fügte dann leise hinzu: »Ich glaube, sie will das alles einfach nur noch vergessen.«
Plötzlich mußte Addie daran denken, daß auch Catherine Marsh geglaubt hatte, sie würde Jack lieben. »Das wird ihr nicht gelingen«, flüsterte sie.
In ihrem Hotelzimmer packte Addie ihren Koffer, während im Hintergrund die Rosie-O’Donnell-Show im Fernsehen lief.
»Ich schwöre, John«, sagte Rosie gerade. »Ich gewinne. Ich habe fleißig geübt.« Addie blickte auf das Gesicht der Talkmasterin, das den Bildschirm füllte. »Kelsey Grammer und Joy Behar«, sagte sie, an ihre Gäste gewandt, »was ist eure Lieblingspotage?«
»Was ist denn Potage?« fragte ihr Bandleader.
»Ein altes Wort für Suppe«, sagte Rosie. »Wer bei ›Jeopardy! für Prominente‹ gewinnen will, muß das wissen, und genauso muß man wissen, wie der größte See in Afrika heißt und daß die Königin der Niederlande die Cousine zweiten Grades des Erzherzogs Franz Ferdinand ist. Das letzte habe ich erfunden, John, aber das merkt auch nur jemand, der wie ich die nächste Gewinnerin bei ›Jeopardy! für Prominente‹ sein wird.«
Gelächter vom Publikum. Addies Herz verkrampfte sich, als sie Jacks Stimme im Kopf hörte. »Für das Prominentenquiz schrauben sie das Niveau runter«, hatte er zu ihr gesagt, »sonst würde keiner der Stars auch nur eine Frage richtig beantworten können.«
Jack würde alles wissen. »Die meisten von uns sind um einiges beschränkter als er«, hatte Jay gesagt. »Heute abend um sieben, hier auf ABC «, gab Rosie bekannt. »Ich sage dir, John, das könnte für mich der Auftakt zu einer ganz neuen Karriere sein.«
Addie fiel ein, was Jack ihr von seiner Zeit im Gefängnis erzählt hatte, daß sein Allgemeinwissen ihn vor der Vergewaltigung bewahrt hatte. Sie mußte daran denken, wie sie vergeblich versucht hatte, ihn zu verführen, während die Sendung lief. Bei diesem Wust an Wissen in seinem Kopf , hatte sie manchmal gedacht, wo ist da noch Platz für mich?
Plötzlich stutzte sie. ›Jeopardy!‹ heute abend um sieben, hier auf ABC . Wie jeden Abend um sieben!
Addie wußte eines ganz genau: Für eine halbe Stunde am Tag ließ sich Jack durch nichts auf der Welt von seiner Lieblingssendung abbringen.
Nicht einmal durch Catherine Marsh.
In dem okkulten Buchladen roch es wie in einer Apotheke. Worum es sich bei den Dingen in den aufgereihten Gläsern mit kleinen handbeschrifteten Etiketten handelte, wollte Selena gar nicht erst wissen. Die schmalen Regale waren vollgestopft mit Büchern, die solche Titel hatten wie ›Anastasias Grimoire‹ und ›Transfiguration für Anfänger‹ und ›Hexenratgeber‹. Eine Katze mit einem Glöckchen um den Hals stolzierte über die Theke.
Starshine warf einen Blick auf die unangetastete Tasse Tee in Selenas Hand. »Trinken Sie ruhig. Es wird Sie nicht in eine Kröte verwandeln.«
Sie wirkte wie eine Kreuzung aus Erdmutter und Blumenkind, das silberne Haar durchsetzt mit vereinzelten geflochtenen Strähnchen und einen Ring an jedem Zeh. Es machte Selena nervös. Sie ließ den Blick über die Ladenwände
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