Die Hexenjagd von Salem Falls
sich Charlies Pupillen, und er konnte nicht mehr scharf sehen.
Addie fuhr ziellos durch die Straßen von Salem Falls, während die Wischerblätter ihres Wagens einander Gerüchte zuraunten. Sie mußte nach Haus und ihren Koffer auspacken; sie mußte so schnell wie möglich zurück zum »Diner«. Doch statt dessen stand sie unversehens in einer engen Telefonzelle und suchte im Telefonbuch nach einer Adresse.
Wenige Minuten später öffnete eine Schwarze die Tür des Hauses von Jordan McAfee. »Ver-Verzeihung …«, stammelte Addie. »Ich habe mich wohl in der Adresse vertan.« Sie war schon wieder auf dem Weg in den Regen, als sie zurückgerufen wurde.
»Addie Peabody, nicht wahr?« Als Addie nickte, lächelte die Frau. »Mein Name ist Selena, und nein, ich bin nicht das Dienstmädchen. Kommen Sie doch rein.«
Erst, als sie ins Haus trat, fiel Addie ein, wo sie die Frau schon einmal gesehen hatte. »Sie waren bei mir im ›Diner‹«, sagte sie. »Sie haben eine heiße Zitrone bestellt.«
»Donnerwetter, ich bin beeindruckt!« sagte Selena und nahm Addies Regenmantel. »Jordan muß bald da sein. Ich weiß, daß er mit Ihnen reden möchte. Wenn Sie nichts dagegen haben, leiste ich Ihnen gern Gesellschaft, bis er kommt.«
Addie setzte sich auf eine gemütliche Couch im Wohnzimmer. »Es geht um Jack St. Bride.«
»Verstehe.«
»Er hat es nicht getan«, sagte Addie.
Selena setzte sich auf die Kante des Couchtisches. »Haben Sie ein Alibi für ihn?«
»Nein. Aber … ich weiß, daß er unschuldig ist.« Sie beugte sich vor, die Hände auf dem Schoß ineinander verschlungen. »Ich war in Loyal, wo er schon einmal angeklagt worden ist, und hab ein bißchen recherchiert. Und die Schülerin, die er verführt haben soll, sie hat gelogen. Sie hat nie was mit Jack gehabt.«
»Ist sie bereit, als Zeugin auszusagen?«
»Nein«, flüsterte Addie.
Selenas Augen wurden weicher. Es stand Addie ins Gesicht geschrieben, was sie für Jack St. Bride empfand. »Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Miss –«
»Nennen Sie mich doch bitte Addie.«
»Addie. Warum sind Sie nicht schon vor zwei Wochen zu uns gekommen?«
Addie ließ sich Zeit mit der Antwort. Dann sagte sie leise: »Ich mußte zuerst selbst herausfinden, ob Jack der Mann ist, für den ich ihn halte.«
Selena dachte an den Morgen, an dem sie Jordan eröffnet hatte, daß sie ihn nicht heiraten würde. Und an jeden weiteren Morgen seitdem, an dem sie sich gefragt hatte, ob die Entscheidung richtig gewesen war. »Ich weiß, Sie möchten uns helfen, aber ohne ein Alibi kommen wir nicht sehr viel weiter.«
»Deshalb bin ich nicht hier«, sagte Addie. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir helfen.«
»Saxton am Apparat.«
»He, Charlie, ich bin’s.«
Charlie erstarrte. Albert Ozmander rief wegen der Thermosflasche an, die Charlie aus dem Zimmer seiner Tochter hatte mitgehen lassen. Oz wußte allerdings nicht, woher die Thermosflasche stammte. Für den Toxikologen war es reine Routinearbeit in einem namenlosen Fall.
Charlie merkte, daß er unter dem Schreibtisch nervös mit dem Fuß wippte. »Volltreffer«, sagte Oz, »aber es ist eine komische Sache. Frag mich nicht, warum die Kids bei dir in der Stadt nicht Hasch rauchen oder koksen wie überall sonst in der freien Welt, Charlie, aber das Zeug in der Thermosflasche ist eindeutig Atropinsulfat.«
»Noch nie gehört.«
»Doch, hast du. Es ist in Medikamenten gegen Verdauungsstörungen enthalten, unter anderem. Hast du schon mal Lomotil genommen?«
Einmal, großer Gott, ja, als er und Barbara in Mexiko waren und sterbenskrank wurden. Charlie krümmte sich heute noch, wenn er nur daran dachte. »Wieso sollten Kids sich mit einem Mittel gegen Durchfall einen Trip verschaffen?«
»Weil du richtig schön high werden kannst, wenn du genug davon nimmst. Ich schicke dir die Ergebnisse gerade zu.« Das Fax in der Ecke von Charlies Büro piepste; er sah zu, wie das Papier sich herauswand.
»Danke, Oz«, sagte Charlie und legte auf. Er saß am Schreibtisch und vergrub das Gesicht in den Händen. Meg, die ihren Vater noch nie belogen hatte; Meg, für die er die Welt aus den Angeln heben würde. Meg war irgendwie in den Besitz dieser Droge gelangt.
Die Enttäuschung lastete so schwer auf ihm, daß er sich nur mit Mühe aufrichten konnte, um die Tasten seines Telefons zu erreichen. »Matt«, sagte er, als der Staatsanwalt sich meldete, »ich muß mit Ihnen reden.«
Jack schleppte sich über die grauen Gänge,
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