Die Hexenjagd von Salem Falls
aus?«
Die Tür öffnete sich, bevor Thomas antworten konnte, und davor stand eine große schwarze Frau mit dem Körper eines Models und zornigen Augen. »Das hast du jedenfalls mal gedacht, Jordan«, sagte Selena Damascus und drängte sich an ihm vorbei ins Haus.
Als erstes verschwammen die Wörter auf der Seite vor Amos Duncan. Kurz darauf merkte er, daß es im Raum wärmer geworden war, und jedesmal, wenn er seine Tochter anblickte, die darauf wartete, daß man sie zum Schulball abholte, wurde ihm übel. Wenige Minuten später darauf schaffte er es gerade noch ins Badezimmer, bevor er sich auf den Fußboden erbrach.
»Daddy!« rief Gillian von der offenen Tür aus.
Er kniete in seinem Erbrochenen, Augen und Nase liefen ihm, und er konnte nur noch denken, daß es gleich wieder passieren würde. Diesmal erbrach er sich in die Kloschüssel, dann legte er den Kopf auf den Porzellanrand.
Er spürte, daß Gillian von hinten zu ihm trat, ihm ein kühles, feuchtes Handtuch in den Nacken legte. Amos übergab sich erneut, sein Bauch ein einziges großes, schmerzendes Möbiussches Band. Weit weg hörte er es an der Tür klingeln. »Geh ruhig. Mir geht’s gleich wieder besser«, röchelte er.
»Nein«, sagte Gilly entschlossen. »Ich laß dich auf keinen Fall in dem Zustand allein.«
Amos nahm undeutlich wahr, daß sie sich entfernte, vernahm Stimmengemurmel. Als nächstes registrierte er, daß er auf dem Rücken in seinem Bett lag, in einem sauberen T-Shirt und Pyjamahose. Gilly saß auf einem Stuhl neben dem Bett, in Jeans und Pullover. »Wie fühlst du dich?«
»Der … Ball.«
»Ich hab Chelsea gesagt, sie soll ohne mich hingehen.« Sie drückte ihm die Hand. »Wer soll sich denn sonst um dich kümmern?«
»Wer sonst?« sagte Amos und streichelte ihr das Handgelenk, während er einschlief.
»Soll das heißen, du hast Selena zum Schulball eingeladen?« Jordan brüllte jetzt, und eine große Ader pulsierte ihm mitten auf der Stirn. Sein Sohn und seine ehemalige Ermittlerin. Seine ehemalige Geliebte.
Er und Selena waren immer ein gutes Team gewesen – auf beruflicher Ebene. Ihre Gedankenabläufe waren ähnlich, und in interessante Fälle hatten sie sich gemeinsam reingekniet. Doch all das hatte sich vor einem Jahr in Bainbridge, New Hampshire, geändert, als Jordan einen Jungen verteidigt hatte, der wegen Mordes an seiner minderjährigen Freundin angeklagt war. Er hatte etwas getan, das ihm noch nie passiert war – er hatte sich emotional zu sehr auf den Fall eingelassen. Und sobald diese Grenze verwischt war, verlor auch das Verhältnis zwischen ihm und Selena an Eindeutigkeit. Er wäre beinahe zerbrochen an dem Fall, und Selena hätte ihm fast den Gnadenstoß gegeben.
»Ich hatte heute abend nichts vor«, sagte Selena und grinste Thomas an. »Ich hab ihm schon seit langem versprochen, mal mit zum Ball zu kommen, aber dann hat er mir von dieser Chelsea erzählt, und mir wurde klar, daß ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wir werden’s denen zeigen, was, Thomas? Ich wette, daß heute abend nicht sehr viele Jungs mit einer über 1,80 großen, appetitlichen, schokoladenbraunen Frau am Arm auftauchen!«
»Können wir vielleicht mal bei Null anfangen? Dürfte ich bitte erfahren, wie es kommt, daß du nach Monaten Funkstille aus heiterem Himmel wieder in unser Leben platzt?«
»Eins nach dem anderen«, sagte Selena. » Du hast mich verlassen. Zweitens, mein Aufenthaltsort war kein Geheimnis. Du weißt sehr wohl, daß ich nie im Telefonbuch gestanden habe. Wenn du dir bei der Suche nach mir auch nur halb so viel Mühe gegeben hättest, wie du dir machst, um Beweise für die Freilassung eines Mandanten zu finden, hättest du mich in weniger als zehn Minuten aufgespürt.«
»Ungefähr so lange hab ich auch gebraucht«, pflichtete Thomas achselzuckend bei. »Im Internet.«
Jordan ließ sich auf die Couch sinken und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. »Du bist dreiundzwanzig Jahre älter als Thomas.«
»Mein Gott, Dad, ich hab doch kein Date mit ihr. Drehst du deshalb so durch? Weil du eifersüchtig bist?«
»Nein, ich bin nicht eifersüchtig. Ich finde es bloß genauso abwegig, daß du mit Selena auf den Ball gehst, wie du es abwegig findest, eine Krawatte zu tragen.«
Selena stieß Thomas mit dem Ellbogen an. »Hermèsseide ist einfach nicht so geschmeidig wie ich auf der Tanzfläche – stimmt’s?«
Thomas lachte. »Solange du mich nicht verfluchst, wenn ich dich wegen Chelsea
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