Die Hexenjagd von Salem Falls
selbst in die Hand nehmen. Aber im Wiccan Read gab es kein einziges Buch mit mittelalterlichen Hexenrezepten für Flugsalbe, für Kräuteröl, mit dem sich die Hexen die Stirn einrieben und das eine so verblüffende halluzinogene Wirkung hatte, daß sie glaubten, fliegen zu können. Die neuen Rezepte waren sicherer, politisch korrekter: ein Mischmasch aus Kaminruß, Beifuß und Benzoeharz. Mit anderen Worten, ein dürftiger Ersatz.
Starshine blickte auf das starrsinnige Gesicht des Mädchens und seufzte. »Heute macht keiner mehr Astralprojektionssalbe. Eine Zutat des Rezeptes war das Fett eines ungetauften Neugeborenen, verdammt noch mal. Das kriegst du nicht im Supermarkt.«
Gilly reckte das Kinn vor. »Das war aber nicht die aktive Zutat.«
»Ah, ich habe vergessen, wen ich vor mir habe … die Erbin des Pharmaunternehmens. Nein, du hast recht. Die Wirkung wurde, glaube ich, durch einen Hasch- oder Belladonnatrip erzeugt – ich verkaufe weder das eine noch das andere. Durch ersteres landet man im Gefängnis und durch letzteres im Koma. Es ist einfach zu gefährlich, Kleines.«
Als Gilly geknickt dreinblickte, drückte Starshine ihr die Hand. »Wie wär’s, wenn du statt dessen Beltane zelebrierst? Das kannst du praktisch gleich vor der Haustür machen und es ist einfach ein wunderbarer Hexensabbat. Sinnlichkeit und Sex, und die Erde erwacht wieder zum Leben.« Sie schloß die Augen und atmete tief. »Es gibt nichts Schöneres, als nackt über ein Feuer zu springen.«
»Das kann ich mir denken.«
»Na ja, die Besiegelungszeremonie ist auch nicht schlecht. Die hab ich mal an Beltane gemacht, als ich nicht viel älter war als du.«
»Besiegelung?«
»Eine Probehochzeit. Für ein Jahr und einen Tag. Eine Probezeit, wenn du so willst, bevor man sich richtig bindet.«
»Und was war danach?«
»Nach einem Jahr hab ich beschlossen, eigene Wege zu gehen. Aber Beltane … ach, wir haben barfuß mit meinem Coven getanzt und den Maibaum geschmückt, und dann haben wir beide den Großen Ritus direkt dort auf der Wiese zelebriert, wie der Gott und die Göttin.«
Gillys Augen wurden groß. »Sie hatten Sex vor allen anderen?«
»Muß wohl, weil ich mich noch daran erinnern kann. An Beltane muß man als erstes seine Hemmungen ablegen.« Sie ging jetzt durch den kleinen Laden und nahm Kräuter und getrocknete Blumen von den überfüllten Regalen. »Hier. Nimm für deinen Altar Primeln und Johanniskraut, Schlüsselblumen und Rosmarin, etwas Blutjaspis. Mut, Gillian. An Beltane geht’s darum, daß du die Seele mit Mut füllst, um die Dinge zu tun, die du dir sonst nicht zutraust.«
Gillian nahm von Starshine alles entgegen. Mut. Wenn sie schon nicht fliegen konnte, war das hier vielleicht das nächstbeste.
»Nicht zu fassen«, sagte Delilah kopfschüttelnd. »Jetzt laß ich dich mal an den Herd und schon machst du eine Schweinerei.«
Jack verzog das Gesicht und versuchte, sich die Spaghettisauce von der Kleidung zu kratzen. Na schön, es war nicht gerade klug gewesen, den Topf an den Herdrand zu schieben, während er einen Fleck von der Platte wischen wollte. Und jetzt, da alles verschüttet war, würde er eine neue Sauce zubereiten müssen. »Wir haben keine Tomaten mehr«, sagte sie und reichte Jack ein sauberes Spültuch.
»Sei froh, daß du mich hast, um welche zu besorgen«, sagte er wie aus der Pistole geschossen.
Addie kam in die Küche, um Delilah eine Bestellung zu geben. »Was ist denn mit dir passiert?« fragte sie mit Blick auf Jack.
»Er hat sich mit einem Topf Tomatensauce angelegt. Ich schick ihn los, frisches Gemüse besorgen«, sagte Delilah.
»Zieh dich lieber vorher um. Sonst denken die Leute noch, du hättest ’nen Bauchschuß abgekriegt.«
Jack antwortete nicht, sondern schlurfte mürrisch die Treppe hoch, die von der Küche zu Roys Wohnung führte. In seinem Zimmer bückte er sich, um aus der untersten Kommodenschublade ein frisches Hemd zu nehmen. Plötzlich explodierte über ihm das Fenster.
Jack warf sich flach auf den Teppich und schnitt sich die Hände an den verstreut liegenden Glasscherben. Mit klopfendem Herzen stand er vorsichtig auf und lugte durch die zersplitterte Scheibe.
Dann roch er den Rauch. Der Ziegelstein war auf dem Teppich gelandet, und die brennende Zeitung, in die der Stein eingewickelt war, loderte auf. »Feuer«, flüsterte Jack heiser. Dann hob er den Kopf und brüllte: »Feuer!«
Addie kam mit einem Feuerlöscher herbeigeeilt, der immer in der Küche neben
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