Die Hexenjagd von Salem Falls
Atropin!«
Jubel brach los, und Amos gab seinem Labortechniker einen Klaps auf die Schulter. »Ausgezeichnete Arbeit, Arthur. Versuchen Sie jetzt mal, ein Hundertstel Gramm auf der Gelatinescheibe zu isolieren.« Als die Gruppe sich auflöste, ging er zu seiner Tochter. »Welchem Umstand verdanke ich deinen überraschenden Besuch?«
»Wollte nur mal vorbeischauen«, sagte Gilly geistesabwesend. »Hast du ein neues Medikament gemacht?«
»Nein. Ein uraltes«, sagte Amos und führte sie aus dem Labor. »Wir versuchen, auf dem homöopathischen Markt Fuß zu fassen – wir gehen zurück zur Natur, um die ursprünglichen Substanzen zu finden, die wir im Labor nachbilden. Atropin ist unglaublich kosteneffizient. Hast du vorhin das winzige bißchen Gas gesehen? Allein das könnte vielleicht zehntausend Dosierungen ergeben.«
Gilly blendete ihn aus. So sehr sich ihr Vater auch für seine Arbeit begeisterte, es hätte sie auch nicht stärker beeindruckt, wenn er ihr erzählt hätte, daß er aus einem Stein Blut zapfen könnte. Als sie in seinem Büro waren, streckte sie sich auf der weißen Couch an der hinteren Wand aus. »Hast du von dem Brand im ›Do-Or-Diner‹ gehört?«
»Nein«, sagte er und setzte sich. »Was ist passiert?«
»Es war oben in Roy Peabodys Wohnung. Megs Mom hat unten zu Mittag gegessen, als es passiert ist.«
»Ist jemand verletzt worden?« fragte ihr Vater, die Fingerspitzen zusammengelegt.
»Soweit ich weiß, nein.« Gilly setzte sich auf und griff nach einem Schälchen Pfefferminzbonbons. »Aber es soll kein Unfall gewesen sein.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Addie viel von der Versicherung kassiert, selbst wenn sie den ganzen Laden abfackeln würde.«
»Sie war’s auch nicht. Jemand anders hat angeblich das Feuer gelegt. Als Warnung.« Sie starrte ihren Vater an, wartete darauf, daß er gestand.
»Gilly«, sagte er leise, schockiert. »Du glaubst doch wohl nicht, daß ich so etwas machen würde?«
Irgend etwas in ihrer Brust löste sich. »Nein. Ich hab mich nur gefragt, ob du weißt, wer so was machen würde.«
»Ach, ich könnte mir vorstellen, daß eine ganze Reihe von Leuten aus unserem Ort auf die Idee kämen.«
»Aber das ist scheußlich!« platzte es aus Gilly heraus. »Er hätte verletzt werden können!«
»Besser er als ein Mädchen wie du.«
Es klopfte an der Tür. »Mr. Duncan«, sagte die Sekretärin, »wieviel Belladonna soll ich nachbestellen?«
Gilly drehte sich um. »Belladonna?«
»Erst mal siebenhundertfünfzig Pflanzen«, sagte Amos. Als seine Sekretärin gegangen war, sagte er zu Gilly: »Warum bist du so erstaunt?«
»Wozu brauchst du Belladonna?«
»Aus dieser Pflanze gewinnen wir das Atropin«, erklärte Amos. »Warum?«
Gilly glaubte wirklich an Schicksalsfügungen. Sie wußte, daß es kein Zufall war, daß sie ihren Vater ausgerechnet an diesem Nachmittag besuchte, an dem er mit Belladonna arbeitete, der Pflanze, die Starshine einen Tag zuvor erwähnt hatte, als sie über die Flugsalbe der Hexen sprachen. Hasch und Belladonna, erinnerte Gilly sich. Tja, Hasch könnte sie sich bestimmt problemlos bei ein paar Jungs an ihrer Schule besorgen. Aber auch wenn sie kein Hasch hätte, würde die Wirkung von Belladonna vielleicht ausreichen. Vielleicht könnte sie sich selbst eine Flugsalbe zusammenmischen, und niemand würde es merken. Und Beltane wäre der ideale Zeitpunkt, um in die Lüfte zu steigen.
Mut , dachte sie. »Nur so«, log Gilly. »So heißt eine echt starke Band.« Sie beugte sich über den Schreibtisch und gab ihrem Vater einen Kuß auf die Wange. »Bis später.«
»Du gehst nach Hause«, befahl er. »Ich möchte nicht, daß du allein im Ort herumläufst.«
»Er ist doch nicht Jack the Ripper, Daddy.«
»Gilly .«
»Von mir aus«, murrte sie, schon halb zur Tür hinaus. Aber im Flur bog sie nicht nach links in Richtung Ausgang. Statt dessen ging sie zum Labor zurück. Arthur, der Techniker, war damit beschäftigt, die flaumigen, weißen Möhren zu zerdrücken – Belladonna . »Miss Duncan«, sagte er, ohne aufzublicken. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ähm, mein Vater hat mich gebeten, ihm eine Probe Atropin in sein Büro zu bringen.«
»Wozu?«
Gilly wurde bleich. Sie hatte sich keinen Grund zurecht gelegt. »Keine Ahnung. Ich soll’s nur für ihn holen.«
»Wieviel?«
Sie deutete auf eine kleine Menge unten in einem Teströhrchen. »Hat er nicht gesagt. Ich schätze, das da reicht.«
Der Techniker steckte einen Stopfen
Weitere Kostenlose Bücher