Die Hexenjagd von Salem Falls
ihre Töchter machen. Ich finde es auch richtig, daß vorbestrafte Sexualtäter sich bei der Polizei melden müssen.«
»Gleichzeitig werden solche Leute dadurch ein zweites Mal verurteilt. Wie sollen sie sich je rehabilitieren, wenn die Gesellschaft sie weiterhin an einer Straftat mißt, für die sie längst gebüßt haben?«
Selena lugte unter den Tisch. »Was suchst du da?« fragte Jordan.
»Ich hab nur nachgesehen, ob du vielleicht auf einem Rednerpodest stehst. Du weißt verdammt gut, daß Sexualtäter Wiederholungstäter sind. Wie würdest du die Sache sehen, wenn du wüßtest, daß dieser St. Bride, ähm, eine Schwäche für fünfzehnjährige Jungs hätte?«
»Wiederholungstäter«, sagte Jordan und schlug die Zeitung wieder auf, »sind gut fürs Geschäft.«
Selena klappte die Kinnlade herunter. »Das ist so ziemlich das Unmenschlichste, das ich je aus deinem Munde gehört habe, McAfee, und glaub mir, ich habe schon so einiges aus deinem Munde gehört.«
»Ha, aber Strafverteidiger sollten gar nicht menschlich sein. Dann fällt es ihnen leichter, sich auf das Niveau der negativen Erwartungen anderer herabzulassen.«
Selena ging nicht darauf ein. Sie dachte, daß Jordan sehr wohl menschlich war, allzu menschlich, und sie mußte es schließlich wissen, weil sie es war, die ihm das Herz gebrochen hatte.
»Komm schon«, drängte Gilly. »Wovor hast du Angst? Daß er gleich an der Theke über uns herfällt?«
Neben ihr schielte Meg auf die Neonschrift über der Tür. Das R war nie so hell gewesen wie die anderen Buchstaben. Vor Jahren hatte sie das lustig gefunden, weil es sich las wie »Doo Diner«, was wirklich ein komischer Name für ein Restaurant wäre. »Mein Dad reißt mir den Kopf ab«, sagte Meg.
»Dein Dad wird es nicht erfahren. Los, Meggie. Willst du dich verkriechen, wenn alle anderen den Drachen bekämpfen, oder willst du das Schwert halten?«
»Kommt drauf an. Wie sind die Aussichten, daß ich knusprig braun geröstet werde?«
»Wenn er dich schänden will, werfe ich mich selbstlos über dich und biete mich als Ersatz an.«
Meg schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht mal, daß er weiß, wie ich aussehe .«
»Herrgott, Meg, ich will doch gar nicht seinetwegen rein. Ich hab bloß Durst . Wahrscheinlich kriegen wir ihn gar nicht zu Gesicht. Die irre Addie bedient uns, wir trinken unseren Milchshake und verziehen uns wieder.«
Langsam wich Meg zurück. »Tut mir leid, Gill. Mein Dad hat’s mir verboten.«
Gilly stemmte ihre geballten Fäuste in die Hüften. »Na und, meiner mir auch!« Meg war schon ein Stück die Straße hinunter. »Na schön. Dann eben nicht!« Gekränkt öffnete Gilly die Tür und betrat den Diner. Der Raum war praktisch leer, nur ein alter Mann saß an der Kasse über ein Kreuzworträtsel gebeugt. Sie nahm Platz und trommelte mit den Fingernägeln ungeduldig auf den Tisch.
Gleich darauf kam die irre Addie zu ihr. »Was darf’s sein?«
Gilly blickte sie abschätzig an. Nicht in ihren kühnsten Träumen konnte sie sich vorstellen, in diesem langweiligen Kaff aufzuwachsen und dann auch noch dort zu arbeiten und zu sterben. Die Frau war ohne jeden Zweifel eine Versagerin. Wahrscheinlich hatte sie sich als Kind begeistert ausgemalt, Wenn ich mal groß bin, werde ich Kellnerin ohne die geringsten Aufstiegschancen .
»Einen Milchshake«, sagte Gilly, und dann sah sie aus den Augenwinkeln Jack, der aus dem Gang zu den Toiletten kam und mit einem vollen Müllsack in Richtung Hintertür verschwand.
Er bemerkte sie nicht.
»Ach, eigentlich möchte ich doch nichts, ich hab gar keinen Durst«, murmelte Gillian und ging nach draußen. Das Sonnenlicht blendete sie; sie stolperte und ging dann um das Gebäude herum nach hinten, wo ein Zaun den Bereich für die Mülltonnen abtrennte. Jack hantierte dort mit den Abfalleimern herum.
Gilly sog die Unterlippe zwischen die Zähne, um ihr etwas Farbe zu geben. Sie knöpfte sich die Jacke auf und zog dann den Reißverschluß ihres knappen Sweatshirts so tief, daß der Ansatz ihrer Brüste zu sehen war. Sie ging zu dem Gatter und wartete, daß Jack sie bemerkte.
Kurz darauf sah er sie und blickte weg.
»Hallo«, sagte Gilly, »was machen Sie denn da?«
»Ski fahren. Sieht man das nicht?«
Gillian beobachtete, wie seine Muskeln sich spannten, als er wieder einen Müllsack hochhob. Sie stellte sich vor, wie er sich gegen sie preßte, ihre Handgelenke umklammerte. Fest. Sie fragte sich, ob es dem Mädchen, das er vergewaltigt
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