Die Hexenjagd von Salem Falls
sorgen.«
Amos lief wieder los und hob eine Hand zum Abschied. Wes ging zurück in Richtung Park. Er sah nicht mehr, daß Amos von der Straße, die zu seinem Haus führte, abgebogen war und im schnellen Tempo in die entgegengesetzte Richtung lief.
Tom O’Neill öffnete die Haustür und sah verblüfft Amos Duncan an, der keuchend vor ihm stand.
»Amos, ist alles in Ordnung?«
»Tut mir leid, daß ich störe.«
Tom warf einen Blick über die Schulter. Im Eßzimmer saß seine Familie beim Abendessen. »Nein, nein, kein Problem.« Er trat nach draußen auf die Veranda. »Was ist passiert?«
Amos blickte ihm ernst in die Augen. »Nun«, sagte er. »Folgendes.«
30. April 2000
Salem Falls,
New Hampshire
Addies Gedanken kreisten nur noch um Jack. Jetzt beugte sie sich vor und küßte ihn auf den Nacken, um ihn endlich vom Fernseher im Wohnzimmer abzulenken. Ein Tee, von dem die aus Formosa stammende Sorte berühmter ist als die Sorten aus Amoy, Foochow und Canton.
»Was ist Oolong?« fragte Jack, die Ellbogen auf die Knie gstützt. Addie öffnete den Mund und leckte ihm über die weiche Ohrmuschel. »Laß das! Ich muß mich konzentrieren.«
»Du sollst dich auf mich konzentrieren.« Fast den ganzen Tag im »Diner« suchte Jack unentwegt ihren Blick, so eindringlich, daß ihr schwindelig wurde, oder er schaffte es immer wieder, so dicht an ihr vorbeizugehen, daß sie sich kurz berührten. Aber wenn ›Jeopardy‹! lief, hätte sie splitterfasernackt vor ihm tanzen können, ohne daß er sie auch nur eines Blickes gewürdigt hätte.
Jack war ›Jeopardy!‹-süchtig. In drei Jahren hatte er nur eine einzige Sendung verpaßt, und zwar deshalb, weil er in einem Streifenwagen saß, der ihn ins Gefängnis brachte. Er freute sich, daß er und Addie sich ab dem Nachmittag frei genommen hatten, um seine Sachen zu ihr zu bringen, denn so konnte er schon die Sendung um sieben sehen. Addie jedoch hatte andere Pläne.
Sie fing an, ihm das Hemd aufzuknöpfen, aber Jack schob sie weg. »In der Werbepause zahl ich’s dir heim«, warnte er halbherzig.
»Ooh … da krieg ich ja richtig Angst.«
Demeters Tochter, die in die Unterwelt entführt wurde.
»Das weißt du doch bestimmt«, sagte Jack.
Als Antwort fuhr sie ihm mit der Hand in die Jeans.
Er zuckte zusammen. »Addie!« sagte er, obwohl es ihn erregte.
»Wer ist Persephone?« sagte die Kandidatin.
Addie drückte sanft zu. »Aha. Du hast es nicht gewußt.«
Unter ihr bewegten sich Jacks Hüften. »Ich hab’s gewußt. Ich war nur kurz abgelenkt.«
Jefferson hat gesagt, sie ist ab und zu eine gute Sache.
Addie setzte sich rittlings auf ihn und versperrte ihm den Blick auf den Fernseher. Schließlich gab Jack nach. Er zog ihr Gesicht zu sich und küßte sie, sprach die Antwort in ihren Mund: »Was ist eine kleine Rebellion?«
»Ab und zu eine gute Sache«, wiederholte Addie. »Genau wie so manches andere.« Sie bog den Hals nach hinten, legte den Kopf in den Nacken und verharrte plötzlich. »Hast du das gehört?«
Aber Jack war ganz auf Addie konzentriert. »Nein.«
Ein Knacken, das Geräusch von laufenden Füßen. Addie setzte sich noch etwas aufrechter. »Da, schon wieder.«
»Das ist irgendein Tier«, sagte Jack. »Du lebst schließlich im Wald.«
Sie stand auf, obwohl er sie festhalten wollte und enttäuscht aufstöhnte, weil er ihr weiches Gewicht nicht mehr auf seinem Schoß spürte. Addie spähte zum Fenster hinaus, konnte aber nur die Hälfte der Schaukel sehen, vom Mondlicht wie abgesägt. »Nichts zu sehen.«
»Dann guck mal hierher.« Jack stand auf und ging auf Addie zu. Er nahm sie in die Arme und sagte: »Sind bestimmt ein paar Waschbären. Geh schon mal nach oben; ich werd sie verscheuchen.«
»Du willst auf die Endrunde von ›Jeopardy!‹ verzichten?« neckte Addie ihn.
»Absolut nicht«, sagte er todernst und zwinkerte dann. »Um elf kommt die Wiederholung.«
Gillys Gedanken kreisten nur noch um Jack. Zigmal durchlebte sie den Augenblick hinter dem »Diner«, grübelte darüber nach, was sie statt dessen hätte sagen und tun sollen, stellte sich vor, wie Jack sie packte und so fest küßte, daß ihre Lippen bluteten. Jedesmal, wenn sie daran dachte, daß Jack sie wie ein kleines Kind behandelt hatte, verkrampfte sich ihr Magen und sie mußte weinen, als würde sie immer wieder tausend Tode sterben. Dann wiederum wurde sie fuchsteufelswild und konnte es kaum erwarten, ihm beim nächsten Mal zu beweisen, daß sie doch kein Kind mehr
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