Die Hexenjagd von Salem Falls
hatte, gefallen hatte, nur ein kleines bißchen.
»Im Restaurant ist das Essen besser«, sagte Jack.
»Ich hab keinen Hunger.«
Gott, seine Augen waren so blau, wie sie es noch nie gesehen hatte. Dunkel und weich, wie das Herz einer Flamme. Es müßte ein Wort für diese Farbe geben – Jackürkis vielleicht, oder –
»Warum bist du dann hergekommen?«
Gilly senkte die Wimpern. »Um Ski zu fahren natürlich.«
Er schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, daß sie wirklich vor ihm stand. Es machte sie um so entschlossener. »Ich wette, du hast als Kind am Strand Krebse mit dem Finger angestoßen, damit sie sich von der Stelle rühren«, sagte Jack vor sich hin, »auch auf die Gefahr hin, daß sie zuschnappen.«
»Was soll denn das heißen?«
»Das heißt, bleib auf der Anfängerpiste, Gillian«, sagte Jack ausdruckslos.
Ihre Augen verdunkelten sich, irgendwo zwischen Tränen und Wut gefangen. Jack wollte gehen, doch Gillian versperrte ihm den Ausgang. Einen beklommenen Augenblick lang tanzten sie umeinander herum, weil Jack ihren Körper nicht streifen und Gillian ihn nicht gehen lassen wollte.
»Gillian .«
Beim Klang einer anderen Stimme sprangen sie auseinander. Wes Courtemanche kam in seiner Uniform um die Ecke. »Ich hab das Gefühl, dein Vater wäre nicht begeistert, wenn er wüßte, daß du dich hier hinten rumtreibst.«
»Ich hab so das Gefühl, daß Sie nicht mein Vater sind«, erwiderte Gillian gereizt. Aber sie trat zur Seite und ließ Jack vorbei.
»Jetzt aber marsch nach Hause«, sagte Wes zu dem Mädchen.
»Ich hab keine Angst vor Ihnen. Ich hab vor niemandem Angst.« Als wollte sie den Beweis antreten, drehte sie sich um und ging ganz nah an Jack heran. Sie warf ihm eine Kußhand zu, als sie an ihm vorüberfegte, eine Geste, die nur für seine Augen bestimmt war und als Versprechen oder als Drohung gemeint sein mochte.
19 40 Uhr. In zwanzig Minuten hatte Wes Dienstschluß. Normalerweise hingen um diese Uhrzeit Kids von der High-School hinter dem Postamt herum, oder sie hockten in ihren Autos auf dem Parkplatz, aber zur Zeit war die Main Street wie ausgestorben, als befürchteten die Jugendlichen, sie würden dem Sittenstrolch im Ort zum Opfer fallen, wenn sie dem »Do-Or-Diner« zu nahe kamen.
Wes hörte Schritte hinter sich und drehte sich um, die Hand am Pistolengurt. Ein Jogger näherte sich. Die Reflektoren an seiner Wollmütze und den Laufschuhen blinkten im Schein der Straßenlaternen.
»Wes«, sagte Amos Duncan, als er vor dem Polizisten stehenblieb und die Luft in tiefen Zügen einsog. Er legte die Hände auf die Knie und richtete sich auf. »Schöner Abend, nicht wahr?«
»Für was?«
»Fürs Laufen, natürlich.« Amos wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht. »Aber Teufel noch mal. Man könnte meinen, wir hätten hier eine Ausgangssperre, so leer, wie die Straßen sind.«
Wes nickte. »Wie eine Geisterstadt, schließlich haben wir erst halb acht.«
»Vielleicht essen die Leute später zu Abend«, schlug Amos als Erklärung vor, doch sie beide wußten, daß das nicht der Fall war. »Na, ich muß nach Hause. Gilly wartet.«
»Ich rate Ihnen, ein wachsames Auge auf sie zu haben.«
Amos’ Miene verfinsterte sich. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich hab sie heute nachmittag gesehen, am ›Diner‹. Sie hat mit St. Bride geredet.«
»Geredet?«
»Mehr nicht.«
Ein Muskel an Amos’ Wange spannte sich an. »Hat er sie angesprochen?«
»Da bin ich überfragt, Amos.« Er wählte seine Worte mit Bedacht, weil er wußte, daß er bei seinen Kollegen über Monate schief angesehen würde, wenn er es sich mit Duncan verscherzte. »Ich hatte bloß den Eindruck, daß Gilly … wie soll ich sagen, sich nicht so richtig darüber im klaren ist, wie gefährlich der Mann werden kann.«
»Ich rede mit ihr«, sagte Amos. Er fragte sich, wie ein Mann in einer Stadt, die ihn nicht wollte, so tun konnte, als hätte er ein Recht, dort zu sein. Er fragte sich, wie viele harmlose Plaudereien vonnöten waren, bis ein junges Mädchen mit einem nach Hause ging wie ein zahmes Reh. Er stellte sich vor, wie St. Bride den Namen seiner Tochter rief, wie sie sich umdrehte, lächelnd. Er sah vor seinem geistigen Auge das, was seiner Meinung nach passiert war.
Amos richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Wes. »Bald Feierabend?«
»In zehn, fünfzehn Minuten.«
»Schön, schön.« Er nickte. »Jedenfalls, danke für den Hinweis.«
»Ist mein Job, für Sicherheit zu
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