Die Hexenjagd
mich mies.« Cassie senkte beschämt den Blick.
»Hey.« Diana legte einen Arm um sie. »Wir sind alle irgendwann schon mal einer Versuchung erlegen. Selbst wenn wir wissen, dass es Schaden anrichten kann.«
»Aber ich habe Angst, dass ich eines Tages zu weit gehen werde. Was, wenn ich etwas tue, das ich nicht mehr rückgängig machen kann– oder schlimmer noch, was, wenn ich mich selbst nicht mehr wiederfinde? Jedes Mal, wenn es passiert, habe ich das Gefühl, dass ich tiefer und tiefer in diesen Sog hineingerate.«
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, antwortete Diana. »Ich werde auf das Buch aufpassen und wir alle zusammen werden auf dich aufpassen.«
Cassie fühlte sich bereits viel besser. Wenn es irgendjemanden auf der ganzen Welt gab, dem sie das Buch anvertrauen konnte, dann war es Diana. Dennoch hatte sie das Bedürfnis, Diana zu warnen. »Du musst mir sagen, wenn etwas Ungewöhnliches passiert, okay? Wenn du anfängst, dich seltsam zu fühlen, oder wenn das Buch zu dir zu sprechen scheint.«
Diana nickte feierlich.
»Wenn das passiert, werden wir eine andere Lösung finden, um es aufzubewahren«, sagte Cassie. »Ich will nicht, dass du durchmachst, was ich durchgemacht habe.«
»Das will ich auch nicht«, erwiderte Diana und versuchte, die Sache nicht zu schwer zu nehmen. »Vertrau mir. Ich habe in letzter Zeit oft genug gegen Regeln verstoßen.«
»Und was immer du tust«, fuhr Cassie fort, »sag Faye auf keinen Fall, dass du das Buch hast. Sag es am besten niemandem. Nicht einmal Adam.«
Diana zögerte, willigte dann jedoch ein. »Es bleibt unser Geheimnis.«
Kapitel Vierundzwanzig
Adam und Cassie fuhren schweigend über die Brücke auf das Missionshaus zu.
Keinem von ihnen war nach belanglosem Plaudern zumute, und über das Für und Wider, Scarlett nach New Salem zurückzuholen, gab es nichts mehr zu sagen. Da war es besser, stumm aus dem Fenster zu schauen.
Cassie betrachtete den Zuckerahorn, der die Straße säumte und rot in der Sonne glühte. Es waren hohe, anmutige Bäume, die der Landschaft ein beinahe würdevolles Antlitz verliehen– ein enormer Unterschied zur Insel mit ihren felsigen Stränden. Während sie sich dem Missionshaus näherten, klammerte Cassie sich an eine letzte Hoffnung– dass Scarlett nicht mehr da sein würde, wenn sie eintrafen. Es würde zwar nur hinauszögern, was unvermeidlich war, das wusste Cassie, aber vielleicht würde ihr ein kleiner Aufschub ein wenig dabei helfen, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Nur weil Cassie den Zirkel überzeugt hatte, es mit Scarlett zu versuchen, hieß das nicht, dass sie selbst davon überzeugt war.
Aber sobald das Missionshaus in Sicht kam, löste sich Cassies geheime Hoffnung in nichts auf. Scarlett stand direkt davor und packte einen Wagen, und es sah so aus, als wolle sie gleich losfahren. Nur ein bisschen später und sie wäre fort gewesen.
»Glück gehabt«, meinte Adam, und Cassie nickte.
Scarlett stemmte die Hände in die Hüften und verzog den Mund zu einem Lächeln, als sie die beiden entdeckte. Sie warf Cassie einen seltsam vieldeutigen Blick zu.
»Sie wirkt nicht sehr überrascht, uns zu sehen«, stellte Cassie fest.
Etwas verlegen stiegen sie aus Adams Wagen. Cassie hatte das deutliche Gefühl, dass Scarlett jede ihrer Gesten genau beobachtete.
»Dachte ich’s mir doch, dass ich euch noch mal wiedersehen würde«, begrüßte Scarlett sie.
»Wie das?«, fragte Adam.
Scarletts Kichern hatte einen beunruhigenden Klang. »Nur so eine Vermutung.« Sie deutete auf das Haus. »Dann kommt mal rein.«
Während sie und Adam Scarlett folgten, rief Cassie sich wieder das Bild ihrer letzten Begegnung in Erinnerung, als Scarlett sich vor Schmerzen auf dem Boden gekrümmt hatte, und sie konnte beinahe hören, wie ihre Halbschwester um Gnade flehte.
Adam betrachtete den Stuhl, an den er gefesselt gewesen war, und setzte sich stattdessen auf das Sofa. Cassie blieb stehen.
»Meine Kräfte haben sich in der Zwischenzeit seltsam entwickelt«, begann Scarlett. »Sie sind unberechenbar geworden. In der einen Minute sind sie noch da und in der nächsten weg.« Sie machte es sich auf dem Stuhl bequem, den Adam gemieden hatte. »Geht euch das auch so?«
»Das liegt daran, dass Suzan gestorben ist«, antwortete Cassie. Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wurde ihr die bittere Wahrheit, die darin lag, bewusst.
»Erinnerst du dich an Suzan?«, fragte Adam.
Scarlett nickte. »Die Rotblonde, natürlich. Wie ist das
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