Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Träume und befruchtete über Nacht meine Seele.
D ie ersten Erfolge erlebte ich zu meiner Freude bereits in den folgenden Tagen. Durch meine Konzentration auf Sanftmut wich meine Verkrampfung, die durch mein fortwährendes Bemühen um mehr Härte während der letzten Monde entstanden war. Auch veränderten sich meine Bewegungen, mein Ton, ja, meine gesamte Verfassung, alles wurde elastischer. Zwar konnte ich nicht beurteilen, ob ich dadurch weiblicher wirkte, doch ich vermutete es und fühlte mich wohler dabei, sogar sicherer.
So fuhr ich fort, tagtäglich, und abends sann ich über die positiv-weiblichen Fähigkeiten nach, um sie mir bewusst zu machen und sie dann einzusetzen. Einfühlungsvermögen, manchmal bis hin zur Hellfühligkeit, fiel mir ein. Außerdem Friedens- und Harmoniebestreben, Fürsorglichkeit, Schönheitssinn, Fröhlichkeit und, ich musste lächeln, und helle Hexen-, also, Heilfähigkeit für Körper und Seele, vor denen sich Männer - weshalb bloß? - oft so fürchteten. Alles Venus- und somit positive Fraueneigenschaften. Könnten wir Frauen diese Energien nur aus unserer Seele strömen lassen, die Welt wäre bereichert. Ich werde mich zumindest darin üben.
Zunächst überwiegend in Sanftmut. Ganz geduldig. Während der Arbeit, bei den Mahlzeiten sowie bei jedem geschäftlichen oder privaten Gespräch.
Dabei erlebte ich in zunehmendem Maß, aus welch liebevoller Energie die Sanftmut besteht, welcher Zauber von ihr ausgeht und welche Macht. Ich brauchte mich nicht mehr stark zu machen, ich wurde es, ich wuchs zu einer starken Persönlichkeit heran. Voller Selbstvertrauen, voller Selbstsicherheit.
Dadurch geschah es auch, dass mich Kaspars und Erwins Lästereien bald nicht mehr trafen, sie federten an mir ab, womit ich den beiden den Spaß an ihrem bös gemeinten Spiel mehr und mehr verdarb. Und begehrten sie gegen meine Anweisungen auf, setzte ich mich nun mit Leichtigkeit gegen sie durch, ich verzauberte sie förmlich mit der Ausstrahlung meiner neu erworbenen Seelenkraft, die sich in allem auswirkte, in meiner Mimik, meinen Gesten und meinen Worten. Hatte mich vordem dieses kräftezehrende Sich- durchsetzen- Müssen fast zermürbt, so war es mittlerweile für mich eher ein erheiterndes Spiel, aus dem ich stets als Siegerin hervorging.
Darüber erwachte wieder Daseinsfreude in mir, verbunden mit meinem früheren Humor, mit dem ich nicht sparsam umging. Bei jeder passenden Gelegenheit brachte ich jetzt meine Küchenleute durch kleine Scherz- und Neckbemerkungen zum Lachen, ob sie wollten oder nicht. Zunächst wollten sie nicht, war ja so ungewohnt für sie. Doch mit der Zeit wurden auch sie lockerer, bis sie versuchten, mir mit Schlagfertigkeiten Konkurrenz zu bieten, wobei ich ihnen - typisch Frau, hoffte ich? - immer mal wieder das letzte Wort überließ.
Auch der Alkoholkeller stellte kein Problem mehr für mich dar, ich hatte ihn wieder zugänglich machen und im Speisehaus zum Abendbrot wieder Bier servieren lassen. Nur Leichtbier, und auch nur in angemessener Menge, doch die überraschten Alkoholfreunde ließen es glücklich durch ihre Gurgeln rinnen. Darauf hatte sich nicht nur im Küchen-, sondern auch im Speisehaus ein immer gelösterer und zuletzt sogar heiterer Umgangston entwickelt.
Ähnliches berichtete mir Herr von Kahl von der Stimmung im Gemach des Barons, wenngleich dies auf andere Ursachen zurückzuführen war. Dank der umgestellten Kost für den Baron hatte sich inzwischen der eherne Panzer um seine Brust gelockert, wodurch er zu allen ihn Pflegenden gerechter und freundlicher geworden war. Das brachte allerdings eine unvermeidbare Begleiterscheinung mit sich, dem Baron flossen nun bisweilen Tränen, meistens, wenn er nach seinem Sohn fragte, was nicht selten vorkam. Sein Sohn aber war, als ich mich mit Herrn von Kahl seinerzeit in der Nähe seiner Karosse aufgehalten hatte, mit seiner Gemahlin für immer abgereist und wohnte seitdem mit ihr auf dem Gut ihrer Eltern. Den Grund ihres Auszugs hatte ich erst später erfahren. Ritter von Erlenrode hatte sich mit seinem damals noch starrköpfigen Vater wegen des überhöhten Verkaufspreises für mein Grundstück überworfen. Unbeherrschte, beleidigende Worte sollte der Baron geäußert und seinen Sohn damit so tief gekränkt haben, dass er, sein Sohn, ihm für immer den Rücken gekehrt hatte. Heute bereute der Baron sein damaliges Verhalten, und gewiss war dies nicht das Einzige, was er zu bereuen hatte.
Für mich persönlich
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