Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
auf- und abgehend, sah ich endlich Hansens Fuhrwerk von der Hauptstraße nach hier abbiegen. Mein Herz pochte immer heftiger, wie werden sie auf mein Gesicht reagieren? Noch winkten wir uns freudig entgegen.
Als sie schließlich bei mir angelangt und grüßend herabgestiegen waren, blickten mich beide ebenso wortlos erstaunt an, wie gestern Abend Bruder Sebastian. Unmöglich, diese Mienen zu deuten. Dann brachte Frau Hansen entschuldigend hervor: „Wir haben Euch bisher ja nur mit Schleier gesehen, Fräulein von Tornheim, selbst Euer Haar war ja bedeckt.“
Auch diese Bemerkung half mir nicht weiter, verunsicherte mich eher, weshalb meine Erklärung etwas linkisch ausfiel: „Ich litt ja nur unter einer Allergie, deshalb der Schleier.“
Frau Hansen konnte ihren Blick noch immer nicht von mir wenden, während sich ihr Gatte die ausgebesserten Kutten über den Arm legte und sie dann ins Kloster trug.
„Wir holen unterdessen meine Pferde von der Weide“, schlug ich ihr vor, worauf sie bereitwillig einging.
Erst auf dem Rückweg von der Weide zum Kloster äußerte Frau Hansen: „Ihr habt ganz ungewöhnliches Haar, ich muss es ständig betrachten. Es enthält etliche Schattierungen, von goldrot bis zum hellsten blond, und dann ist es so, es ist . .“
„Gestreift“, half ich ihr, worauf sie sich lachend verteidigte:
„Nein, das habe ich nicht sagen wollen.“
„Obwohl es zutrifft.“
Sie lachte noch immer, als sie betonte: „Wenn schon, mir gefällt es. Allerdings würde ich es eher als changiert bezeichnen.“
Am Klostertor erwartete uns bereits ihr Gatte, und beim Anblick der Rappen rief er aus: „Meine Herren, solch prächtige Rösser habe ich lang nicht mehr gesehen.“
Darauf forderte ich ihn auf: „Dann nehmt Eurer Gattin das Prachtross ab und führt es zur Kutschenhalle, ich begleite Euch mit dem anderen Ross.“
Während Herr Hansen nun die Rappen vor die von ihm nicht minder bestaunte Karosse spannte, stieg ich in den Fond, um von keinem Mönch entdeckt zu werden. Wenig später kletterte er auf den Kutschbock, und als wir dann das Klostertor passiert hatten, hörte ich Herrn Hansen seiner Gattin, die abfahrbereit auf ihrem Einspänners saß, fröhlich zurufen: „Immer hinter uns her, Marlis!“
„Aber nicht zuviel Tempo, du!“
„Ich reiß mich zusammen!“
Z usammennehmen musste er sich in der Tat, wie ich schnell feststellte, denn er konnte es nicht lassen, die temperamentvollen Rappen dann und wann für kurz in Galopp zu versetzen, wonach er jedes Mal anhalten musste, damit uns seine hinter uns herziehende Marlis wieder einholen konnte. Es war schon was anderes, wenn ein Mann kutschierte, besonders ein Hüne wie er, ich durfte nicht daran denken, wie ungeschickt ich selbst mich dabei angestellt hatte und war sicher, dass auch die Rappen es genossen, wieder von starker Hand gelenkt zu werden.
Herr Hansen hatte also seinen Gefallen an diesem Gespann, hoffentlich geht das Ehepaar noch auf mein Angebot ein, es gegen ihren kleinen Einspänner zu tauschen. Weitaus lieber wäre mir zwar meine mit Ritter von Aue verloren gegangene Reike gewesen, aber auch sie zählte ja zur Aristokratenausstattung, von der ich mich befreien musste. Das Ehepaar war hier ansässig, obschon Herr Hansen mit Sicherheit nordischer Abstammung war, wofür sowohl sein Name wie auch seine Erscheinung sprach. Doch seiner Mundart nach war er Harzer, weshalb mir beide vermutlich sagen können, wo ich mich demnächst als Köchin bewerben kann - sofern mein Gesicht es zulässt.
Die hiesige Gegend überwältigte mich. Zwar war sie weitaus rauer als die schwäbischen Berge und wurde, je höher wir in den Norden gelangten, umso urwüchsiger, aber gerade das nahm mich gefangen. Der sagenumwobene Harz. Hin und wieder durchfuhren wir ein Dorf, doch überwiegend führte uns der Weg über dunkel bewaldete Berge, die teils so geheimnisvoll wirkten, dass ich jetzt Herrn Rubinez’ Angst vor diesem angeblich magischen Gebirge begriff. Hier würde es wohl niemanden verwundern, wenn einem plötzlich ein Bergriese oder ein Waldzwerg zornig den Weg versperrte.
Als wir schließlich in der kleinen Stadt Wolfhausen Hansens Mehrfamilienhaus, in dessen Parterre sich die Schneiderei befand, betraten, blickte ich mich erstaunt darin um. Es bestand außen wie innen aus Holz - die Wände, die Fußböden, die Decken, alles. Welcher Unterschied zu dem steinernen Odenborner Kloster, in dem ich mich nie wirklich heimisch hatte fühlen können. In ihrer Wohnung
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