Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
kaufmännische Führung des Betriebs, er kaufte auch mit Kennerblick die hier benötigten Stoffe zu günstigen Preisen ein, weshalb er sich häufig auf Reisen befand. Obgleich sich die Schneiderei eines guten Zulaufs erfreute, will sich das Ehepaar Hansen verändern, es war ihnen zu eng und auch zu bieder in Wolfhausen. In den Nordharz zog es sie, nach Blankenburg, das im Fürstentum Braunschweig lag. Blankenburg sei eine lebendige, handelsfreudige Stadt, erfuhr ich von ihnen, in der Herr Hansen aufgewachsen sei und sein betagter Vater noch immer seine Kunstschnitzerei betreibe. Sie beabsichtigen, sobald sie ausreichend Geld beisammen haben, ihre Existenz in diese Stadt zu verlegen.
Abends spazierte ich bisweilen mit Marlis und Jörg - wir duzten uns inzwischen - durch die kleine Stadt, und sonntags unternahmen wir mit meiner Kutsche Ausflüge ins Umland. Ich müsse die hiesige Gegend mitsamt ihren Bewohnern kennen lernen, meinten sie, schließlich wolle ich hier Fuß fassen.
Mit meiner Absicht, mich baldmöglichst in einem Gast- oder Gutshof als Köchin zu verdingen, mochten sie sich nicht anfreunden, wiewohl ich ihnen verdeutlicht hatte, dass mir keine andere Wahl blieb. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass eine Adelige am Kochherd etwas zuwege brachte. Dennoch hörte sich Jörg auf seinen Einkaufsfahrten in der Umgebung nach einer Anstellung für mich um. Leider bislang ohne Erfolg, denn, wie ich befürchtet hatte, ohne Ausbildungsnachweis stellte mich niemand ein. Und da ich nach nunmehr drei Wochen ungeduldig wurde, sagte ich ihnen, ich sei auch bereit, als Küchenmagd zu arbeiten. Das entsetzte sie: „Tora, als Magd, das kann nicht dein Ernst sein.“
Darauf forderte ich sie auf, mir etwas Besseres vorzuschlagen, wozu ihnen freilich nichts einfallen konnte.
M eine neue Kleidung war fertig gestellt, und überdies hatte mir Marlis für die Küche einige graublaue Kittel und weiße Hauben angefertigt, die sie mir jetzt überreichte.
„Marlis, die sind ja ausgesprochen schick geworden“, staunte ich, „da hättest du mal unsere klösterliche Küchenkleidung sehen sollen, die reinsten Säcke“, worauf sie, die Schneidermeisterin, nur lächelnd mit den Schultern zuckte.
Am gleichen Abend saßen wir zu dritt in meiner Stube, und als ich mir freudig einen Kittel übergezogen und eine Küchenhaube aufgesetzt hatte, fand Marlis, ich säh reizend darin aus. Jörg jedoch widersprach in seiner mitunter unangenehm direkten Art: „Nein, Tora, unglaubwürdig siehst du darin aus. Denk bloß nicht, du könntest mit dieser Kleidung deine Herkunft kaschieren.“
Und Marlis unterstützte ihn noch mit vorsichtigen Worten: „Weißt du Tora, für eine Köchin sprichst du zu fein und bewegst dich zu graziös.“
„Ich kann mich auch gewöhnlich benehmen, in der Klosterküche ist mir das mühelos gelungen“, gab ich trotzig zurück.
Ihre Mienen verrieten, dass sie mir nicht glaubten. Deshalb erhob ich mich und spielte ihnen die Köchin vor. Der Waschtisch war mein Küchenherd, auf dem ich Speisen zubereitete, wobei ich im breiten Schwabendialekt mit einer imaginären Gehilfin zeterte: „Baß doch uff, dummsch Määdle! Hoscht alleweil nur dei Kerle im Kobb!“
Unter Marlis’ und Jörgs Gelächter trapste ich breitbeinig hin und her, wuchtete angeblich schwere Kochtöpfe von einer Stelle zur anderen, und als ich den Anschein vermittelte, ich schnäuzte prustend meine Nase in den Kittel, verschluckte sich Marlis an ihrem Lachen, und Jörg rief mir glucksend zu: „Genug, genug, hast uns überzeugt.“
Na, bitte doch!
Noch immer in meiner neuen Küchenkleidung, saß ich nun wieder bei Marlis und Jörg am Tisch, und trotzdem wir ernsthaft meine Zukunft als Köchin erörterten, war ihr Lachen über meine Vorstellung noch nicht restlos aus ihren Gesichtern gewichen. Marlis riet mir, das Schwäbeln in einer künftigen Anstellung beizubehalten, das spreche für berufliche Erfahrung, allerdings nur soviel, dass man mich noch verstehe. Außerdem müsse ich mir einen schwäbischen Nachnamen zulegen. Darauf überlegte ich laut: „Die meisten Namen dort enden auf le - Tischle, Töpfle, Tüchle.“
„Dann nenne dich Tornle“, schlug Jörg spontan vor, was ich genau passend fand:
„Ja, Tora Tornle. Ideal.“
„Worüber ich mir Gedanken mache, Tora“, begann Marlis nun vorsichtig, „du sagtest uns, du sehnst dich oft schmerzlich nach deiner Familie, sehnst du dich denn nicht auch manchmal nach dem Kloster Odenborn?“
„Nein“,
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