Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
nennt man diesen Gasthof wohl demnächst Walpurgishof.“
Z u Beginn des Lenzingmonds, Thekla regierte hier wieder ihr Königreich Küche, empfing ich von Marlis schriftlich die Nachricht, ich könne in dem nur eine halbe Stunde südlich von Blankenburg gelegenen Feudalgut Erlenrode als Heilköchin eingestellt werden. Sie und Jörg hätten in ihrer Schneiderei den Sohn des Barons von Erlenrode kennen gelernt und von ihm erfahren, der Arzt habe seinem erkrankten Vater Heilkost angeraten.
Dieses Angebot verlockte mich.
Den ganzen Tag über hatten dann meine Gedanken um diese schöne Nachricht gekreist, und jetzt teilte ich sie Elgrin mit. Doch obschon ich ihr bereits vergangenes Jahr meine Zukunftsabsicht anvertraut hatte, senkte sich nun ihr hellblonder Kopf traurig nach unten.
„Elgrin“, tröstete ich sie, „ich muss doch erst den Feudalherrn und seine Lehnschaft kennen lernen, bevor ich mich zu dieser Stellung entscheide.“
Ihre belegte Stimme verriet, dass es sie Überwindung kostete, mir zuzustimmen: „Ja, einen Eindruck solltest du dir vorher verschaffen. Und wenn dir alles zusagt - ich würde verstehen, wenn du dann zugreifst.“
Ich lächelte sie lieb an, als ich sie erinnerte: „Gleich, welche Stelle ich mal annehme, bis zu unserem Abschied haben wir dann noch volle sechs Wochen füreinander, denn nachdem ich den Wirtsleuten meine Kündigung ausgesprochen habe, muss ich hier noch die vorgeschriebene sechswöchige Restdienstzeit leisten. Keine Frage auch, dass die Wirtsleute dann dir die Position der stellvertretenden Küchenmeisterin übertragen werden. Außerdem werde ich dir mein Pferdegespann schenken, damit du hier beweglicher bist und auch weiterhin in der Umgebung Kräuter sammeln kannst.“
„Das ist lieb von dir. - Aber trotzdem!“
„Mach es mir nicht so schwer, Elgrin.“
U m für die Besichtigung der Baronie, die eine halbe Tagesreise nördlich von Keilberg lag, einige Tage frei zu bekommen, erklärte ich den Wirtsleuten, ich müsse für Elgrin in Blankenburg medizinische Lehrschriften besorgen, was ich auch vorhatte. Sie stimmten zu, ich teilte es Marlis und Jörg per Post mit, und vier Tage später stand mittags Jörg mit seiner Karosse vor dem Gasthof, um mich abzuholen.
„E ndlich kann ich dich in unserem neuen Zuhause begrüßen“, empfing mich am Abend vor ihrer Haustür Marlis. Sie ließ mich ein, und nachdem wir einen Begrüßungstrunk zu uns genommen hatten, bewunderte ich ihre neue Wohnung und anschließend ihre bis ins Detail geschmackvoll gestaltete Schneiderei.
Am nächsten Morgen kutschierte mich Jörg nach Erlenrode, das nach seiner Schilderung ganz idyllisch zwischen den Bergen liegen soll. Auf Marlis’ fachkundigen Rat hin hatte ich mir für das Vorstellungsgespräch über mein schlichtes beiges Ausgehkleid eine aus feiner dunkelbrauner Wolle und mit Zobelpelz gefütterte Schaube umgelegt und die dazugehörende Zobelkappe aufgesetzt. Jetzt wusste ich diesen Rat doppelt zu schätzen, denn der Lenz hatte zwar bereits Einzug gehalten, doch der Winter wollte sich sein frostiges Regiment nicht aus der Hand nehmen lassen. Mit wilden Böen, die teils noch Schneeflocken mit sich führten, kämpfte er gegen den Lenz an. Mir schien, auch gegen mich, denn einige besonders unverfrorene Böen fegten sporadisch durch das offenstehende Kutschenfenster gezielt auf mich zu. Doch ich trotzte ihnen mit meiner warmen Pelzkleidung.
Jörg hatte seinerzeit bei dem jungen Herrn von Erlenrode von mir nicht als Fräulein, sondern als Frau von Tornle gesprochen, da eine unverheiratete Dame meines Alters und faszinierenden Aussehens - „Tora, das trifft nun mal zu“ - so allerlei bizarre Gedanken aufkommen ließen. Ich könne mich ja als Witwe ausgeben, hatte er mir vorgeschlagen, wozu ich nun gezwungen war.
Nach einer halben Stunde flotter Fahrt rief Jörg zu mir hinter: „Vor uns liegt die Baronie!“
„Dann durchfahre sie bitte langsam, Jörg, l a n g s a m, damit ich sie mir ausgiebig betrachten kann!“
„Wie Ihr wünscht, gnä’ Frau!“
Von Erlenrode ging tatsächlich ein Zauber aus. An der munter plätschernden Krachel ragte eine Wassermühle empor, die vielen Felder begannen, sich von ihrer weichen Schneedecke zu befreien, und Windböen fanden hier keinen Einlass, sie wurden von urwüchsigen Bergkolossen, die wie eine Schutzmannschaft dieses Tal umringten, mühelos ferngehalten. Zu meiner Freude konnte ich hier zum ersten Mal in diesem Jahr den Duft von Schneeschmelze atmen,
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