Die Himmelsbraut
hast zu viel gesoffen.»
«Hab ich nicht. – Oder nur ein kleines bisschen. Das ist nur, weil … weil …»
«Weil?»
«Weil ich nicht wegwill von hier.»
Antonia schluckte. Ihre Augen begannen zu brennen.
«Freu dich doch», gab sie betont schnippisch zurück. «Du wirst die Welt kennenlernen, an der Seite deines Ritters. Wirst ihn auf seinen Reisen und Feldzügen begleiten. Für Ruhm und Ehre dein Leben aufs Spiel setzen. Und eines Tages wirst du einem schönen Edelfräulein begegnen und dein Herz verlieren.»
Phillip schüttelte heftig den Kopf.
«Was redest du da, Antonia? Wenn es nach mir ginge, könnte unser Leben hier immer so weitergehen. Verstehst du? Ich will nicht weg von hier. Und wenn, dann nur mit dir zusammen.»
Ihr Herz tat einen kleinen Sprung. «Ist das wahr?»
Statt einer Antwort strich er ihr übers Haar, dann nahm er sie bei der Hand.
«Sollen wir wieder hinunter und tanzen?»
«Ja.»
Wie in alten Zeiten rannten sie Hand in Hand den Hügel hinunter, schneller und schneller, dem hellen Feuerschein entgegen.
6 Durenbachtal im Schwarzwald, am Sonntag auf Bartholomei 1520
E s begann zu regnen, in feinen Silberfäden, die in der Nachmittagssonne glitzerten. Von ferne grollte noch der Donner, aber sie hatten Glück gehabt. Das Gewitter war in nördlicher Richtung an ihnen vorbeigezogen. Einer hinter dem andern ritten sie das Durenbachtal hinauf, zu ihrer Linken die mächtige Festung Staufenberg. Der Weg schlängelte sich auf halber Höhe an den Weinbergen entlang, da der Talgrund hier sehr sumpfig war. Dennoch standen rechts und links des Bachlaufs Rebstock an Rebstock.
Einmal mehr dachte Antonia an Phillip, wie er immer über den Unsinn gewettert hatte, überall, wo es die Landschaft hergab, Wein anzubauen, selbst in den Bachniederungen. «Wein braucht Luft und Aussicht. An den Bach gehören Äcker und Wiesen, nicht Rebland. Kein Wunder, dass die Herren von Staufenberg nicht für ihren Bedarf an Brotfrucht sorgen können, wenn sie alles mit Weinstöcken zukleistern.»
Sie nahm die Zügel in eine Hand, um sich über das Gesicht zu wischen. Der Regen auf ihren Wangen fühlte sich warm an, fast wie Tränen. Wahrscheinlich würde sie nie wieder zusammen mit Phillip auf dem Herbstwagen sitzen und die Traubenernte zum Rebhof kutschieren. Nie wieder auf dem Weinfest mit ihm über den Tanzboden jagen.
Sie waren auf dem Heimweg von Offenburg – ihr Vater, Bernward, das Kammerfräulein und der Altknecht. Anlässlich von Katharinas und Adalberts Hochzeit hatte es dort gestern ein rauschendes Fest gegeben, in diesem prächtigen, ochsenblutroten Patrizierhaus, das gewiss mehr Zimmer und Kammern besaß als Burg Holderstein. Nachdem die beiden Väter im Kontor des Kaufherrn mit feierlicher Miene den Vertrag unterzeichnet und die Brautleute ihre Ringe getauscht hatten, nachdem Katharina mit Freudentränen in den Augen gelobt hatte, ihren Mann zu ehren und ihm zu gehorchen, und Adalbert im Gegenzug, das ihm angetraute Weib in seinen Schutz zu nehmen, war es hinausgegangen ins Freie, in den mit Blumengirlanden geschmückten Hof.
Der alte Wertheimer hatte sich nicht lumpen lassen. Wer Rang und Namen hatte in der Stadt, war eingeladen, die erlesenen Speisen wollten kein Ende nehmen. Dabei waren Wein und Bier in Strömen geflossen, es wurden Gerichte aufgetragen, von denen Antonia nie zuvor gehört, geschweige denn gekostet hatte. Nach Einbruch der Dämmerung hatte man Fackeln entzündet und war zum Singen und Tanzen übergegangen, bis zwei Stadtknechte erschienen, um unter Bücklingen und mit verlegenen Gesichtern der trunkenen Ausgelassenheit ein Ende zu machen. Die angekündigte Strafe von einem Pfund Pfennige, wegen Überschreitung der Gästezahl und zu üppiger Speisenfolge, hatte der Hausherr mit einem gönnerhaften Lächeln zur Kenntnis genommen und dabei den Bütteln auch noch ein Krüglein Roten ausgeschenkt. Solcherlei Verstöße gegen die Stadtverordnung schienen Leuten wie ihm kein Kopfzerbrechen zu bereiten.
Heute Morgen dann hatte ihr Vater die Mitgift übergeben, in einem Zierkästchen aus schwarzem Ebenholz. Antonia hatte nicht in Erfahrung bringen können, wie viel Geld es enthielt. Dafür waren die Geschenke der Gäste offen zu bewundern: Da fanden sich Ballen mit Brabanter Samt und schwarzem Atlas, bunte Tuche aus dem indischen Kalikut, ein Armband und eine Halskette aus Korallen, ein Fläschchen Rosenwasser und sogar ein echter Papagei aus Malakka, der verängstigt in seinem
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