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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die Seeschlange oder ein anderes Seeungeheuer sehen läßt…
    – Wie? fragte Heurtaux. Sie denken gar, daß wir der berüchtigten Seeschlange begegnen könnten?
    – Daran ist doch nicht zu zweifeln.
    – Und warum?
    – Ja, sehen Sie, Herr Heurtaux, das ist nun einmal meine Ueberzeugung, und die Späße des Meister Ollive werden diese nicht erschüttern.
    – Ich bitte Sie aber, während aller Fahrten im Laufe von vierzig Jahren auf dem Atlantischen und dem Stillen Oceane haben Sie, soviel ich weiß, dieses phantastische Thier noch niemals zu sehen bekommen…
     

    Die Schlange spielte scheinbar eine Zeitlang mit ihrem Opfer (S. 61.)
     
    – Und ich rechnete darauf, daß das auch in Zukunft nicht der Fall wäre, da ich auf dem Lande Anker geworfen hatte. Nun hat mich aber unser Kapitän noch einmal vom Stapel laufen lassen, und diesmal wird es mir nicht geschenkt bleiben!
    – O, ich wäre wahrlich nicht böse, dem Unthier zu begegnen! rief der Lieutenant Allotte.
    – Sagen Sie das nicht, Lieutenant, sagen Sie das nicht! ermahnte der Böttcher den jungen Mann ernsten Tones.
    – Oho, Jean-Marie Cabidoulin, fiel jetzt Bourcart ein, das kann nicht Ihr Ernst sein!… Die große Seeschlange!… Ich wiederhole Ihnen zum hundertstenmale: Niemand hat sie bisher gesehen und niemand wird sie zu Gesicht bekommen… aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht existiert und nicht existieren kann…
    – Sie existiert dennoch, Herr Kapitän, antwortete hartnäckig der Böttcher, der »Saint Enoch« wird ihre Bekanntschaft schon noch vor Beendigung seiner Reise machen… und wenn das nur nicht deren vorzeitiges Ende herbeiführt!«
    Jean-Marie Cabidoulin sprach mit dem Tone so felsenfester Ueberzeugung, daß nicht nur die Leichtmatrosen an Bord, sondern auch die befahrenen Matrosen den bedrohlichen Prophezeiungen des Böttchers Glauben zu schenken anfingen. Wer konnte wissen, ob es dem Kapitän gelänge, dem Unglückspropheten den Mund zu stopfen!
    Bei dieser Gelegenheit fragte Bourcart den Doctor Filhiol, was ihm wohl von der fabelhaften Seeschlange bekannt sei, und darauf berichtete der junge Arzt folgendes:
    »Nun ich habe wohl fast alles gelesen, was man darüber geschrieben hat, und kenne auch die Spöttereien, die der »Constitutionel« damals über sich ergehen lassen mußte, als er alle die Fabeln als Wahrheiten hinstellte. Erinnern Sie sich auch, Kapitän, daß die Geschichte nicht neueren Datums ist. Ihre Anfänge findet man schon zu Beginn der christlichen Zeitrechnung. Schon damals dichtete die Leichtgläubigkeit der Menschen den Achtfüßern, Tintenfischen, den Kopffüßlern und anderen Geschöpfen riesige Größenverhältnisse an, obgleich diese alle in der Länge, ihre Fühlfäden eingerechnet, kaum mehr als siebzig bis achtzig Centimeter messen. Das bleibt doch weit zurück gegen die angeblichen Ungeheuer mit dreißig, sechzig, ja mit hundert Fuß langen Armen, Riesenthiere, die überhaupt nur in der Einbildung gelebt haben. Hat man doch sogar von einem eine halbe Lieue langen Kraken gefaselt, der ganze Schiffe in die Tiefen des Oceans hinunterziehen sollte!«
    Meister Cabidoulin lauschte gespannt den Worten des Doctors, schüttelte aber dessen Versicherungen gegenüber immer verneinend den Kopf.
    »Nein, fuhr Filhiol fort, reine Fabeln, an die die Alten vielleicht glaubten, denn schon von Plinius’ Zeiten her ging die Rede von einer amphibischen Schlange mit großem Hundekopfe, nach rückwärts stehenden Ohren und mit gelblich schimmernden Schuppen bedecktem Leibe, die sich auf kleinere Schiffe stürzte und sie zu Grunde richtete. Zehn oder zwölf Jahrhunderte später berichtete dann der norwegische Bischof Pantoppidan von einem Seeungeheuer, dessen Hörner mit Raaen ausgerüsteten Masten glichen, und wenn die Fischer sich auf tiefem Wasser zu befinden glaubten, fanden sie oft schon einige Fuß tief Grund, weil jenes Thier unter dem Kiel ihrer Schaluppe hinschwamm. Ja man verstieg sich sogar zu der Behauptung, das Thier habe einen ungeheuer großen Pferdekopf, schwarze Augen und eine weiße Mähne, bei seinem Untertauchen aber verdränge es eine so große Menge Wasser, daß das Meer in eine den Wirbeln des Maëlstroms gleichende Bewegung gerathe.
    – Und warum sollte man das nicht ausgesprochen haben, wenn man es doch beobachtet hatte? bemerkte der Böttcher.
    – Beobachtet… oder geglaubt, es beobachtet zu haben, mein armer Cabidoulin, antwortete der Kapitän Bourcart.
    – Ueberdies, setzte der Doctor

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