Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
des Ertrinkens, wenn sie überhaupt nicht schon tödtlich verletzt waren. Ob das zweite Boot sie noch auffischen könnte, ließ sich vorläufig auch nicht sagen.
»Einsteigen!… Schnell in die Boote!« rief Heurtaux, der dem Lieutenant ein Zeichen gab, ihm zu folgen.
Die Mannschaften, die hier Menschen, und gehörten sie auch zur Besatzung des »Repton«, in Todesgefahr sahen, beeilten sich, alles zu thun, sie zu retten.
In einem Augenblicke waren Officiere und Matrosen die Anhöhe hinabgestürmt und über den Strand hin geeilt. Die beiden Boote wurden schnellstens frei gemacht, und von kräftigen Ruderschlägen getrieben, kamen sie nach der Unfallsstelle, wo der Walfisch noch immer wüthend umherschoß.
Von den neun Mann in dem zertrümmerten Boote, waren nur sieben auf der Wasserfläche wieder aufgetaucht.
Zwei fehlten… sie waren ohne Zweifel umgekommen.
Eben jetzt traf auch das zweite Boot vom »Repton« ein, doch hätte dieses die sieben Leute ohne Gefahr kaum noch aufnehmen können.
Der weibliche Wal wendete sich seinem Jungen zu, das in einer Kabellänge unter dem Winde dahin trieb und von der Strömung fortgetragen wurde. Als er dieses erreicht hatte, verschwand er mit ihm in der Tiefe der Lagune.
Heurtaux und der Lieutenant waren schon bereit, mehrere von den Engländern aufzunehmen, als der Obersteuermann des »Repton« mit verächtlichem Tone rief:
»Jeder sorgt für sich!… Wir brauchen keine Hilfe!… Vorwärts… abstoßen!«
Wenn der Mann wahrscheinlich den Verlust der zwei Leute beklagte, so beklagte er es jedenfalls eher noch mehr, daß ihm die schöne Beute entgangen war.
Als Heurtaux und Allotte an Bord zurück waren, berichteten sie dem Kapitän Bourcart und dem Doctor Filhiol den Verlauf der Dinge.
Bourcart billigte es, daß sie dem Boote des »Repton« zu Hilfe geeilt waren, doch als er die Antwort des fremden Officiers vernahm, setzte er hinzu:
»Da sehen wir ja: wir hatten uns nicht getäuscht, es waren eben Engländer, und zwar richtig stockenglische Engländer…
– Gewiß, meinte der Oberbootsmann, bis zu diesem Grade braucht man das aber doch nicht herauszustecken!«
Sechstes Capitel.
Vancouver.
Die an der Westküste Nordamerikas zwischen dem 48. und dem 51. Breitengrade gelegene, fünfhundert Kilometer lange und hundertdreißig breite Insel Vancouver gehört zu dem englischen Columbia, dem Nachbarstaate des Dominiums von Canada, dessen Grenze diesen im Osten abschließt.
Vor einigen Jahrhunderten hatte die Hudson Bai-Gesellschaft an der südwestlichen Spitze der Insel, nahe dem alten Hafen von Cardoba, dem Camosin der Indianer, eine Handelsniederlassung gegründet. Das bildete also eigentlich schon eine Besitzergreifung der genannten Insel durch die britische Regierung. Im Jahre 1789 kam sie jedoch unter spanische Gewalt. Kurze Zeit nachher wurde sie indeß den Engländern durch einen Vertrag zurückgegeben, der zwischen dem spanischen Officier Quadra und dem englischen Officier Vancouver zustande kam. Nur der Name des zweiten ist dann in die moderne Kartographie übergegangen.
Das ursprüngliche Dorf wuchs bald zur Stadt an, dank der Entdeckung von Goldadern im Becken des Fraser, eines der Wasserläufe der Insel. Unter dem Namen Victoria City bildet es jetzt die officielle Hauptstadt des britischen Columbiens. Später entstanden noch andere Städte, wie z. B. das vierundzwanzig Lieues von Victoria gelegene Nanaimo, ohne den kleinen Hafen San Juan zu erwähnen, der die Südspitze des Landes einnimmt.
Zur Zeit, wo sich unsere Geschichte abspielte, hatte Victoria noch bei weitem nicht die Bedeutung, die ihm heute zukommt. Der Insel Vancouver fehlte damals noch die sechsundzwanzig Kilometer lange Bahnlinie, die jetzt ihre Hauptstadt mit Nanaimo verbindet. Erst im folgenden Jahre, 1864, wurde, zur Vorbereitung des Bahnbaues, von dem Doctor Brow aus Edinburg, dem Ingenieur Leech und Frederic Wymper eine Expedition ins Innere der Insel unternommen. Immerhin fand der Kapitän Bourcart in Victoria schon alle Bedingungen zur Abwicklung seines Handelsgeschäfts, und auch alle Hilfsmittel zur Ausführung seiner zweiten Fangreise. In dieser Beziehung konnte er sich also jeder Sorge entschlagen.
Mit der ersten Tagesstunde hatte der »Saint Enoch« seinen Ankerplatz in der Lagune verlassen. Durch die Ebbeströmung unterstützt, steuerte er den Canal der Bai Marguerite hinunter und dann aufs offene Meer hinaus.
Günstige, aus Ost bis Südost wehende Winde erlaubten es dem
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