Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
Schiffe, längs der Küste unter dem Schutze des Landes, nur einige Seemeilen westlich von der langen Halbinsel Niedercalifornien hinzusegeln.
Bourcart hatte keine Wachen auf die Marsen geschickt, da jetzt keine Jagd auf Walfische beabsichtigt war. Vor allem drängte es ihn, Vancouver zu erreichen, um sich die dortigen guten Marktpreise zu nutze zu machen.
Uebrigens wurden auch nur drei oder vier Walfische, und diese in so großer Entfernung beobachtet, daß es bei dem meist starken Seegange sehr schwierig gewesen wäre, deren Fang zu versuchen. Die Mannschaft begnügte sich also, den Thieren ein »Auf Wiedersehen bei den Kurilen und im Ochotskischen Meere!« zuzurufen.
Man rechnet ungefähr vierzehnhundert Seemeilen bis zur Straße San Juan de Fuca, die die Insel Vancouver von dem Territorium Washington im äußersten Nordwesten der Vereinigten Staaten scheidet. Bei einer mittleren Geschwindigkeit von neunzig Seemeilen in vierundzwanzig Stunden mußte die Fahrt des »Saint Enoch«, der jetzt auch Top-, Lee-und Stagsegel führte, etwa fünfzehn Tage in Anspruch nehmen. Unverändert dauerten die günstigen Verhältnisse an, die bisher die erste Fangreise begleitet hatten.
Nach dem ersten Drittel der Fahrstrecke segelte das Schiff dicht am Winde in der Höhe von San Diego, der Hauptstadt Niedercalifornicus hin. Vier Tage später befand es sich San Francisco gegenüber und inmitten zahlreicher Fahrzeuge, die diesem großen amerikanischen Hafen zustrebten.
»Vielleicht ist es doch bedauerlich, sagte an diesem Tage Bourcart zu dem Obersteuermanne, daß wir unser Handelsgeschäft statt in Victoria, nicht schon in San Francisco erledigen können.
– Ja freilich, antwortete Heurtaux, dann wären wir jetzt schon am Ziele. Doch, je mehr Weg vorher, desto weniger später. Wollen wir noch einmal bei den Kurilen den Fang aufnehmen, so sind wir in Vancouver schon weit oben im Norden.
– Ja, Sie haben recht, Heurtaux, und die Aussagen des Kapitäns vom »Iving« lauteten auch zu verlockend und bestimmt. Seiner Ansicht nach muß der »Saint Enoch« in Victoria leicht so weit wie nöthig ausgebessert und mit allem Proviant für mehrere Monate versorgt werden können.«
Der Wind, der jetzt einige Neigung zum Abflauen verrieth und mehr nach Süden räumte, wehte bald vom hohen Meere her. Die Fahrt des »Saint Enoch« wurde also etwas verlangsamt.
Das verursachte an Bord einige Ungeduld. Länger als achtundvierzig Stunden dauerten diese minder günstigen Verhältnisse aber nicht an, und am 3. Juli morgens meldeten die Wachen schon das Cap Flattery am Eingange der Juan de Fucastraße.
Die Ueberfahrt hatte sechszehn Tage, einen mehr als nach der Berechnung Bourcart’s, beansprucht, da das Schiff die mittlere Geschwindigkeit von neunzig Seemeilen nicht ganz erreicht hatte.
»Nun, Alterchen, wendete sich Meister Ollive an Cabidoulin, da wären wir ja an der Einfahrt zum Hafen, und Du jammerst doch immer noch?
– Ich?… erwiderte der Böttcher achselzuckend.
– Jawohl… Du!
– Ich sage ja gar nichts…
– Nein, Du sagst nichts… es ist aber doch nicht anders.
– Wirklich?
– Ja, wirklich… ich hör’ es ja, wie Du innerlich brummst…
– Und das werd’ ich auch laut thun, wenn es mir paßt!« entgegnete Jean-Marie Cabidoulin.
Nach Erledigung der Sanitäts-und der Zollförmlichkeiten legte der »Saint Enoch« an einem Bollwerke an, von wo aus seine Fracht bequem gelöscht werden konnte.
Auf jeden Fall sollte sein Aufenthalt in Victoria etwa vierzehn Tage dauern. Er konnte nicht wohl weiterfahren, ehe die Mannschaft nicht einige kleine Reparaturen ausgeführt hatte, ob das Schiff sich nun zu einer zweiten Fangreise in die nördlichen Gewässer des Stillen Oceans begab, oder sich zur Rückkehr nach Europa anschickte.
Der Obersteuermann, die beiden Lieutenants und die Deckofficiere würden also Arbeit genug haben, die ihre Zeit voll in Anspruch nahm. Handelte es sich doch darum, siebzehnhundert Faß Thran ans Land zu befördern. Der Kapitän Bourcart mußte hier übrigens auf seine Leute ein scharfes Auge haben. Hier sind immer Desertionen zu gewärtigen, da nicht wenige Goldsucher und Ausbeuter von Fundstätten auf der Insel Vancouver und auf den Ebenen am Caribu im britischen Columbien die Umgegend durchstreifen.
Gerade jetzt lagen im Hafen von Victoria zwei Schiffe, der »Chantenay« aus Nantes und der »Forward« aus Liverpool, die durch das Entweichen einer Anzahl ihrer Matrosen arg in Verlegenheit
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