Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
rief Meister Ollive. Darum spricht er das so ernsthaft!
– Nein, weil es voller Ernst ist, und Du wirst ja noch sehen, welches Ende die Campagne nimmt!«
Mochte die Zukunft nun Jean-Marie Cabidoulin recht geben oder nicht, jedenfalls kam die Mannschaft während der Fahrt nach den Kurilen nicht dazu, den Schmelzofen anzufeuern. Die Wachhabenden bemühten sich fast ganz vergebens, Cetaceen zu erspähen, denn solche zeigten sich nur sehr selten und obendrein stets in großer Entfernung. Eigentlich hielten sich die Thiere zu dieser Jahreszeit gern an den Zugängen zum Behringsmeere auf; hier tummelten sich sonst riesige Balänopteren (Finnfische), dreißig Meter lange Jubarte, Culammaks und Umgulliks, die gar bis fünfzig Meter lang werden. Was war nun der Grund, daß sie jetzt hier fehlten?
Weder Bourcart noch Heurtaux konnten diese Frage richtig beantworten. Vielleicht waren die Thiere in den arktischen Meeresgebieten gar zu hitzig verfolgt worden und hatten sie, wie es erst später der Fall sein sollte, schon in den antarktischen Meeren Zuflucht gesucht.
»Ach nein… nein! rief der Lieutenant Allotte. Was wir hier nicht vor den Kurilen finden, das werden wir hinter diesen antreffen. Dort drüben im Ochotskischen Meere erwarten uns der Walfische soviel, daß man das ganze Meeresbecken mit ihrem Thran anfüllen könnte!«
Wenn die überschwänglichen Erwartungen des Lieutenants sich vielleicht auch erfüllen sollten, war es doch nicht minder gewiß, daß es jetzt kein einziges Mal Gelegenheit gab, die Fangboote auszusenden. Ja man sah nicht einmal irgend ein anderes Schiff, und doch pflegen die Walfänger die hiesige Gegend im Monat August sonst noch nicht verlassen zu haben. Vielleicht befanden sie sich aber doch schon auf dem Ochotskischen Meere, wo es nach der Ansicht des Lieutenants von Spritzwalen wimmeln sollte. Vielleicht war darunter auch der »Repton«, der nach dem, was der Kapitän Forth gehört hatte, ja die Bai Marguerite verlassen haben und nach den nordwestlichen Theilen des Stillen Oceans gesegelt sein sollte.
»Mag sein, sagten die Matrosen; doch wenn er auch einen guten Fang gemacht hat, alles wird er nicht weggeschnappt haben, und für den »Saint Enoch« werden schon noch einige Walfische übrig geblieben sein!«
Die Besorgniß vor einem Umschlagen des Windes hatte sich zum Glück nicht erfüllt. Nach vierundzwanzigstündiger Stille sprang wieder ein Südostwind auf, der mehrere Tage gleichmäßig anhielt. Schon zeigten sich vereinzelt Seevögel – von den Arten, die bis einige hundert Meilen weit vom Lande hinausschwärmen – in der Nähe des Schiffes und setzten sich zuweilen zum Ausruhen auf die Spitzen der Raaen. Unter Backbordhalfen und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von acht bis neun Knoten glitt der »Saint Enoch« seines Weges dahin. Die Fahrt verlief in einer Weise, daß der Kapitän Bourcart gewiß keine Ursache zu klagen hatte.
Am 21. August ergab das Besteck nach den zwei Beobachtungen um zehn Uhr und zu Mittag hundertfünfundsechzig Grad siebenunddreißig Minuten der Länge und neunundvierzig Grad dreizehn Minuten der Breite.
Gegen ein Uhr standen der Kapitän und seine Officiere auf dem Hinterdeck beisammen. Leicht nach Steuerbord überliegend, ließ der »Saint Enoch« ein flaches Kielwasser hinter sich, das schnell unter dem Heckbalken hervorwirbelte.
Plötzlich rief der zweite Officier:
»Da… was seh’ ich denn da draußen?«…
Alle Blicke wendeten sich luvwärts vom Schiffe hinaus nach einem langen dunkeln Streifen, der eine merkwürdige, kriechende Bewegung zeigte.
Mit Hilfe des Fernrohrs ließ sich erkennen, daß der Streifen zweihundertfünfzig bis dreihundert Fuß lang sein mochte.
»Sapperment! rief der Lieutenant Allotte scherzend, sollte das etwa Meister Cabidoulin’s berühmte große Seeschlange sein?«
Zur gleichen Zeit stand auf dem Vorderkastell, die Hand über den Augen, der Unglücksprophet, der Böttcher, und starrte ohne ein Wort zu äußern in derselben Richtung hinaus.
Jetzt kam auch der Doctor Filhiol nach dem Hinterdeck und der Kapitän Bourcart sagte, indem er ihm das Fernrohr hinreichte:
»Bitte… sehen Sie einmal dorthin…
– Das ähnelt ja einem Risse, worüber zahllose Vögel umherschwärmen, meinte der Doctor Filhiol nach aufmerksamer Betrachtung der Erscheinung.
– An dieser Stelle ist mir kein Riff bekannt, erklärte Bourcart.
– Uebrigens, setzte der Lieutenant Coquebert hinzu, unterliegt es keinem Zweifel, daß
Weitere Kostenlose Bücher