Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
an.
Der »Repton« wurde erst auf den Kamm einer ungeheueren Woge getragen und verschwand dann völlig hinter dieser. Aus der Woge schossen noch riesige Wasserstrahlen empor, als kämen sie aus den Spritzlöchern eines übermäßig großen Ungeheuers, dessen Kopf zum Theil unter dem Schiffe gewesen wäre und dessen Schwanz das Meer eine halbe Kabellänge, fast hundert Meter, im Umkreise aufwirbelte.
Als das Schiff wieder sichtbar wurde, war es in großem Umfange zerstört, seine Masten waren niedergebrochen, sein Takelwerk zerrissen und über die nach Backbord tief geneigte Schanzkleidung wälzte sich ein gurgelnder Wasserschwall hinweg.
Eine Minute später und nachdem es noch einmal emporgeschleudert und niedergestürzt war, versank es in die Tiefe des Stillen Oceans.
Der Kapitän Bourcart, seine Officiere und seine Mannschaften stießen einen Schreckensruf aus und waren halb gelähmt angesichts dieses unerklärlichen und entsetzlichen Unfalls.
Vielleicht waren aber nicht alle Insassen des »Repton« mit untergegangen, vielleicht hatten einige in den Booten rechtzeitig entfliehen können, um nicht von dem wirbelnden Schlunde beim Versinken des Schiffes verschlungen zu werden. Vielleicht konnte man noch mehrere dieser Unglücklichen retten, ehe die Nacht sich über das Meer ausgebreitet hatte.
Einer solchen Katastrophe gegenüber mußte jede Feindseligkeit verstummen; hier galt es eine Menschenpflicht zu erfüllen, und das sollte im vollen Umfange geschehen.
»Die Boote schnell aufs Wasser!« rief der Kapitän Bourcart.
Erst vor zwei Minuten war der »Repton« gesunken, und jetzt durfte man wohl noch hoffen, die Ueberlebenden von dem Schiffbruche zu retten.
Plötzlich, und noch bevor die Boote niedergelassen waren, erfolgte ein, wenn auch nicht sehr starker Stoß. Am Hintertheile um sieben bis acht Zoll gehoben, neigte sich der »Saint Enoch« nach Steuerbord auf die Seite und blieb dann, als ob er auf eine Klippe aufgefahren wäre, unbeweglich liegen.
Zwölftes Capitel.
Strandung.
Der Wind, der gegen fünf Uhr abends aus Osten wehte und den der »Repton« hatte benutzen wollen, hielt nicht dauernd an. Nach Sonnenuntergang flaute er ab und legte sich zuletzt gänzlich. Die Bewegung des Wassers verminderte sich bis zum leichten Plätschern an der Oberfläche. Dann trat wieder der dicke Nebel ein, der diesen Theil des Stillen Oceans schon seit achtundvierzig Stunden eingehüllt hatte.
Der »Saint Enoch« war gerade in dem Augenblicke aufgestoßen, wo die Mannschaft die Boote niederlassen wollte. War das ein Unfall von der gleichen Natur wie der, der den Untergang des »Repton« verschuldet hatte, und war das englische Fahrzeug – weniger glücklich als der »Saint Enoch« – auf eine wirkliche Klippe gerannt?
Gleichviel: Wenn der »Saint Enoch« auch nicht gesunken war, so war er doch wenigstens gestrandet. Da ferner die Gefahr vorlag, daß er dennoch untergehen könnte, war es unmöglich, die Boote zur Rettung der englischen Seeleute auszusenden.
Der erste Eindruck, den Bourcart und seine Leute von dem Vorfalle empfanden, war der einer namenlosen Bestürzung.
Wie hatte es überhaupt zu einer Strandung kommen können?… Der »Saint Enoch« hatte ja von der gegen fünf Uhr aufgesprungenen Brise noch kaum etwas verspürt. An einer Klippe konnte er nur auflaufen, wenn er in eine Strömung gerathen war, von der niemand etwas ahnte und die dann auch nicht erkannt worden wäre.
Hier waren gewisse unerklärliche Verhältnisse im Spiele, und doch war es jetzt nicht die Zeit dazu, eine Erklärung zu versuchen.
Der Stoß war, wie gesagt, nur schwach gewesen. Nach wiederholtem Aufstoßen des Hintertheils aber, wobei übrigens nicht einmal das Steuer beschädigt wurde, wälzte sich eine ungeheuere Wassermenge über das Schiff hinweg. Glücklicherweise wurden seine Masten dabei nicht gelockert und die Stagseile und die Wanten blieben ohne Beschädigung.
Da auch der Boden keine Havarie erlitten hatte, schien es nicht, wie der »Repton«, von einem Untergange bedroht zu sein. Vielleicht fehlten ihm überhaupt nur wenige Zoll Wasser, wieder flott zu werden, und kam es mit dem Eintritte der Fluth schon allein wieder los.
Infolge des Stoßes waren nur die den Walfisch haltenden Ketten gesprengt werden, und die Strömung führte die Reste der Beute hinweg.
Jetzt hatte man aber anderes zu thun, als sich wegen eines Verlustes von hundert Faß Thran zu beunruhigen. Da der »Saint Enoch« gestrandet war, galt es
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