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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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zunächst, ihn womöglich aus seiner schlimmen Lage zu befreien.
    Bei diesem Unfalle hütete sich der Meister Ollive aber weislich, Jean-Marie Cabidoulin mit Stichelreden zu reizen. Der Böttcher hätte ihm doch nur erwidert:
    »Laß es nur gut sein… das ist doch nur der Anfang vom Ende!«
    Inzwischen berathschlagten sich Bourcart und der Obersteuermann über die Lage.
    »Es giebt doch keine Untiefen in diesem Theile des Stillen Oceans, sagte Heurtaux.
    – Mir fehlt es auch an jeder Erklärung, antwortete Bourcart; doch das eine ist gewiß, daß zwischen den Kurilen und Alëuten keine solche eingetragen ist.«
    Thatsächlich zeigten selbst die neuesten Seekarten keine Angaben über Untiefen oder Klippen in dem Theile des Oceans, wo der hundertzwanzigste und der hundertsechzigste Meridian den fünfzigsten Breitengrad schneiden. Seit sechzig Stunden hatte der Nebel freilich den Kapitän Bourcart am Aufnehmen eines Bestecks gehindert. Nach seiner letzten Beobachtung befand er sich aber über zweihundert Meilen von den Alëuten entfernt, und es war doch kaum anzunehmen, daß der Wind oder eine Strömung – seit der Lagenberechnung am 19. October – ihn so weit rückwärts verschlagen hätte.
    Dennoch hätte er kaum anderswo als an den am weitesten hinausreichenden Klippen der Alëuten auffahren können.
    Bourcart begab sich nach der Officiersmesse, breitete hier die Seekarten vor sich aus und studierte sie nach allen Seiten; mit dem Zirkel bestimmte er auch annähernd die Stelle, wo sich, wenn er drei Tage Fahrt in Rechnung zog, sein Schiff jetzt befinden mußte. Doch selbst wenn er einen Irrthum um zweihundert Meilen annahm, traf er in der Richtung nach den Alëuten noch auf keine Risse.
    »Könnte denn, warf da der Doctor Filhiol ein, nicht nach der Herstellung dieser Karten an der Stelle, wo wir liegen, ein Aufsteigen des Grundes stattgefunden haben?
    – Eine Erhebung des Meeresbodens?«… antwortete Bourcart, der diese Hypothese nicht ganz abzuweisen schien.
    War sie denn mangels jeder anderen nicht etwa annehmbar? Warum könnte sich der Meeresboden nicht entweder langsam durch dauernden Auftrieb oder vielleicht auch plötzlich, unter der Einwirkung plutonischer Kräfte, fast bis zur Wasserfläche gehoben haben? An derartigen tellurischen Erscheinungen fehlt es ja nicht in Gegenden, wo noch eine eruptive Thätigkeit herrscht. Die Gegend hier lag obendrein in der Nachbarschaft eines vulcanreichen Archipels. Erst vor dritthalb Monaten hatte man ja auf der Fahrt dahin die Flammen aus dem Chilchaldinskoi auf der Insel Unimak emporlodern sehen.
    Obwohl diese Erklärung aber in gewissem Maße annehmbar erschien, wies die Mehrzahl der Mannschaft, wie sich bald zeigen wird, sie doch von sich.
    Auf welche Ursache die Strandung des »Saint Enoch« indeß zurückzuführen sein mochte… die Thatsache selbst war unbestreitbar. Beim Sondieren vom Vorder-und vom Hinterdeck aus fand der Meister Ollive nur vier bis fünf Fuß Wassertiefe.
    Die erste Sorge des Kapitäns Bourcart war es gewesen, den Frachtraum sorgfältig zu besichtigen. Jean-Marie Cabidoulin und der Zimmermann Ferut hatten sich schon überzeugt, daß die Bordwand kein Wasser zog, daß also infolge des Stoßes kein wahrnehmbares Leck entstanden war.
    Jedenfalls mußte man bis zum nächsten Tage warten, ehe die Natur dieses bisher unbekannten Riffs des Stillen Oceans bestimmt werden konnte, und vielleicht gelang es, den »Saint Enoch« vor dem Eintreten schlechteren Wetters davon abzubringen.
    Die Nacht schien kein Ende nehmen zu wollen. Weder die Officiere zogen sich in ihre Cabine zurück, noch die Mannschaften ins Volkslogis. Man mußte ja jeden Augenblick auf alles bereit sein. Dann und wann strich der Kiel kratzend über das Riff – konnte er nicht vielleicht unter dem Einflusse der Strömung davon abkommen? Und konnte es nicht möglich sein, daß das Schiff auf der Seite, nach der es geneigt war, weiter abglitt und damit wieder zum Schwimmen kam?
    Aus Vorsicht hatte der Kapitän Bourcart übrigens die Boote aufs Meer setzen und sie mit Nahrungsmitteln so reichlich wie möglich beladen lassen, für den Fall, daß es nothwendig würde, den »Saint Enoch« aufzugeben. Man konnte ja immerhin noch in die Zwangslage kommen, sich dieser zu bedienen, um das nächstgelegene Land zu erreichen. Das waren aber die Alëuteninseln, wenn das Schiff nicht durch ganz unbegreifliche Ursachen völlig aus seinem Curs verschlagen worden war. Dieses drohte übrigens nicht zu

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