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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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die Wirkung dieser Kräuter. Ich muss morgen mit Severin darüber sprechen, er weiß mehr darüber, als er uns glauben machen will. Es sind Kräuter, nichts als Kräuter, es bedarf gar nicht jener magischen Operationen, von denen der gute Glasermeister gesprochen hat. Kräuter und Spiegel... Dieser Ort des verbotenen Wissens wird mit Hilfe sehr wertvoller Erkenntnisse geschützt. Wissenschaft im Dienst der Verschleierung statt im Dienst der Erleuchtung. Gefällt mir nicht. Ein perverser Geist beherrscht die fromme Verteidigung dieser Bibliothek... Doch die Nacht war lang und ereignisreich, wir sollten jetzt hinausgehen. Du bist ohnmächtig geworden, du brauchst dringend einen Schluck Wasser und frische Luft, und es hat leider gar keinen Zweck zu versuchen, eins dieser Fenster zu öffnen, sie sind zu hoch und vielleicht seit Jahrhunderten nicht geöffnet worden. Wie hat man nur denken können, dass Adelmus hier irgendwo in die Tiefe gestürzt worden sei?«
    Hinausgehen hatte William gesagt. Das war freilich leichter gesagt als getan! Wir wussten, dass der einzige Ausgang im Ostturm war, aber wo befanden wir uns in diesem Moment? Wir hatten völlig die Orientierung verloren. Das lange Herumirren, das sich nun anschloss, mit der wachsenden Angst, nie wieder aus diesem Labyrinth hinauszufinden, ich immer noch schwach auf den Beinen und von Übelkeitsanfällen geschüttelt, William sichtlich um mich besorgt und beschämt über die geringe Reichweite seines Wissens, brachte uns, beziehungsweise ihn auf einen Gedanken für den nächsten Tag: Wir würden, falls wir je hier hinausgelangten, erneut in die Bibliothek eindringen, aber diesmal ausgerüstet mit einem rußigen Holzscheit oder einem anderen Gerät, mit dem man Zeichen an Wänden anbringen kann.
    »Um den Ausgang aus einem Labyrinth zu finden«, dozierte William, »gibt es nur ein Mittel. An jedem neuen, das heißt noch niemals zuvor erreichten Kreuzungspunkt wird der Durchgang, durch den man gekommen ist, mit drei Zeichen markiert. Erkennt man an den bereits vorhandenen Zeichen auf einem der Durchgänge, dass man an der betreffenden Kreuzung schon einmal gewesen ist, bringt man an dem Durchgang, durch den man gekommen ist, nur ein Zeichen an. Sind alle Durchgänge schon mit Zeichen versehen, so muss man umkehren und zurückgehen. Sind aber einer oder zwei Durchgänge der Kreuzung noch nicht mit Zeichen versehen, so wählt man einen davon und bringt zwei Zeichen an. Durchschreitet man einen Durchgang, der nur ein Zeichen trägt, so markiert man ihn mit zwei weiteren, so dass er nun drei Zeichen trägt. Alle Teile des Labyrinthes müssten durchlaufen worden sein, wenn man, sobald man an eine Kreuzung gelangt, niemals den Durchgang mit drei Zeichen nimmt, sofern noch einer der anderen Durchgänge frei von Zeichen ist.«
    »Woher wisst Ihr das? Seid Ihr Experte in Labyrinthen?«
    »Nein, ich rezitiere nur einen alten Text, den ich einmal gelesen habe.«
    »Und nach dieser Regel gelangt man hinaus?«
    »Nicht dass ich wüsste. Aber versuchen wir es trotzdem. In den nächsten Tagen werde ich außerdem Linsen haben, kann also besser auf die Bücher achten. Es könnte sein, dass dort, wo die Abfolge der Inschriften uns verwirrt, die der Bücher uns weiterhilft.«
    »Ihr werdet Eure Linsen wiederhaben? Wie wollt Ihr sie finden?«
    »Ich sagte: ich werde Linsen haben. Ich werde mir welche machen lassen. Der Glasermeister wartet doch nur auf eine solche Gelegenheit, seine Kunst zu beweisen und etwas Neues zu lernen. Hoffentlich hat er das richtige Werkzeug, um Gläser zu schleifen. Glasscherben gibt es bei ihm genug.«
    Während wir weiter durch die Räume irrten, war mir plötzlich mitten in einem Raum, als ob meine Stirn von einer unsichtbaren Hand berührt worden sei. Zugleich erklang ein Seufzen, das weder tierisch noch menschlich schien, bald aus der Nähe, bald aus der Ferne, als ginge ein Gespenst durch die verwinkelten Räume. Ich hätte wahrhaftig inzwischen auf Überraschungen gefasst sein müssen, aber von Neuem fuhr ich zusammen und machte einen Satz zurück. Auch William musste etwas gespürt haben, denn er fasste sich überrascht an die Wange, hob die Lampe und schaute sich um.
    Er hielt eine Hand vor das Licht und beobachtete die Flamme. Sie schien etwas lebhafter aufzuflackern. Dann befeuchtete er sich einen Finger und streckte ihn gerade empor.
    »Klar«, sagte er und zeigte mir an zwei Wänden des Raumes in Augenhöhe zwei genau gegenüberliegende Stellen, an

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