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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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außer den Büchern die Schachteln, die meine Dokumente enthielten, sowie eine Art Tabernakel aus antikem Nussholz. Ich versuchte mich gerade zu erinnern, wozu es diente, als es unten klingelte. Ich ging hinunter, um einen Störenfried zu verjagen, aber da erblickte ich eine Alte, die mir bekannt vorkam. Sie sagte durchs Fenster: »Tissot schickt mich«, und so musste ich sie hereinlassen – wieso zum Teufel habe ich bloß ausgerechnet dieses Erkennungswort gewählt?
    Sie kam herein, schlug eine Art Tuch auf, das sie an die Brust gedrückt hielt, und zeigte mir eine Handvoll Hostien.
    »Der Abbé Dalla Piccola hat gesagt, Sie wären interessiert.«
    Ich antwortete fast mechanisch »sicher« und fragte nach dem Preis. Zehn Francs pro Stück, sagte die Alte.
    »Sie sind verrückt«, rief ich aus, dem Instinkt des Händlers folgend.
    »Verrückt sind Sie, Sie mit Ihrem verrückten Wunsch, schwarze Messen zu feiern! Meinen Sie, es ist leicht, in drei Tagen in zwanzig Kirchen zu laufen, an der Kommunion teilzunehmen, nachdem man nüchtern zu bleiben versucht hat, sich hinzuknien mit den Händen vor dem Gesicht und zu versuchen, die Hostie aus dem Mund herauszubekommen, ohne dass sie nass wird, sie in einen Beutel zu tun, den ich an der Brust trage, und alles, ohne dass der Pfarrer oder die Nachbarn es merken? Um gar nicht von dem Sakrileg zu reden und von der Hölle, die mich erwartet. Also, wenn Sie die wollen, das sind zwanzig Stück, macht zweihundert Francs, oder ich gehe zu Abbé Boullan. 16 «
    »Abbé Boullan ist tot, Sie sind offenbar schon länger nicht mehr Hostien besorgen gegangen«, antwortete ich wiederum fast mechanisch. Dann beschloss ich, angesichts meines verwirrten Kopfes lieber meinem Instinkt zu folgen, ohne lange zu überlegen.
    »Na ja, lassen wir das. Also gut, ich nehme sie«, sagte ich und bezahlte. Und in dem Moment begriff ich, dass ich die geweihten Oblaten in das Tabernakel in meinem Studio legen musste, um auf interessierte Kunden zu warten. Ein Geschäft wie jedes andere.
    Kurz, alles erschien mir normal und alltäglich. Und doch war mir, als spürte ich rings um mich den Geruch von etwas Unheilvollem, das sich mir entzog.
    Ich ging wieder ins Studio hinauf und bemerkte, dass hinter einem Vorhang an der Rückwand eine Tür war. Schon beim Öffnen wusste ich, dass ich in einen Korridor treten würde, der so dunkel war, dass man eine Lampe brauchte. Der Korridor glich dem Kostümmagazin eines Theaters oder dem Hinterzimmer eines Trödlers am Carreau du Temple. An den Wänden hingen die verschiedensten Kostüme, für Bauern, Köhler, Laufburschen, Bettler, zwei weitere Soutanen, eine Soldatenuniform, und jeweils daneben die passenden Schuhe und Kopfbedeckungen. Ein Dutzend Köpfe aus Draht, ordentlich auf einem Wandbrett aufgereiht, trug ebenso viele Perücken. Weiter hinten stand eine pettineuse ähnlich dem Schminktisch in Schauspielergarderoben, übersät mit allerlei Döschen, Lippenstiften, schwarzen und blauen Schminkstiften, Hasenpfoten, Puderquasten, Pinseln und Bürsten.
     
    Am Ende machte der Korridor einen Knick nach rechts, und dort gab es eine weitere Tür, die in ein Zimmer führte, das heller als meine Räume war, da das Licht aus einer Straße hereinfiel, die nicht die enge Impasse Maubert sein konnte. Und tatsächlich, als ich an eines der Fenster trat, sah ich, dass es die Rue Maître-Albert war.
    Von diesem Zimmer führte eine schmale Treppe zur Straße, und das war schon alles. Es handelte sich um eine Ein-Zimmer-Wohnung, halb Studio, halb Schlafzimmer, mit einfachen dunklen Möbeln, ein Tisch, ein Betpult, ein Bett. Neben dem Ausgang befand sich eine kleine Küche und an der Treppe ein WC mit Waschbecken.
    Es war offenbar das Pied-à-terre eines Geistlichen, mit dem ich eine gewisse Vertrautheit haben müsste, da unsere Wohnungen miteinander kommunizierten. Doch obwohl mich das alles an etwas zu erinnern schien, hatte ich tatsächlich den Eindruck, dieses Zimmer zum ersten Mal zu sehen.
    Ich trat an den Tisch und erblickte einen Stoß Briefe mit ihren Umschlägen, alle an dieselbe Person adressiert: an den hochwürdigsten oder sehr hochwürdigen Monsieur l’Abbé Dalla Piccola. Neben den Briefen lagen einige Bögen, beschrieben mit einer feinen, verschnörkelten, fast weiblichen Handschrift, sehr verschieden von meiner. Entwürfe für Briefe ohne besondere Bedeutung, Danksagungen für ein Geschenk, Bestätigungen eines Treffens. Obenauf aber lag ein Bogen mit sehr

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