Die historischen Romane
können wir jetzt von konkreteren Dingen sprechen. Zum Beispiel, was können Sie mir über einen gewissen Hippolyte Lutostansky sagen?«
»Das ist ein Hochstapler und Spitzel. Er war ein katholischer Priester und ist in den Laienstand zurückversetzt worden, weil er, wie soll ich sagen, unsaubere Dinge mit Knaben getrieben hatte – und schon das ist eine sehr schlechte Empfehlung, denn, Herr im Himmel, man weiß ja, dass der Mensch schwach ist, aber als Priester hat man doch einen gewissen Anstand zu wahren! Seine einzige Reaktion war, dass er zum orthodoxen Glauben übertrat und Mönch wurde… Ich kenne das Heilige Russland inzwischen gut genug, um sagen zu können, dass in jenen Klöstern, fernab von der Welt, wie sie liegen, Greise und Novizen einander in wechselseitiger Zuneigung, wie soll ich sagen, brüderlich verbunden sind. Aber ich bin kein Intrigant und interessiere mich nicht für die Angelegenheiten anderer Leute. Ich weiß nur, dass dieser Lutostansky sich eine Menge Geld von der russischen Regierung hat geben lassen, um von jüdischen Menschenopfern zu erzählen, die übliche Geschichte von der rituellen Ermordung christlicher Kinder. Als ob er die Kinder besser behandeln würde. Schließlich soll er sogar einige jüdische Kreise angesprochen und ihnen angeboten haben, für eine bestimmte Summe alles zu widerrufen, was er geschrieben hatte. Meinen Sie, die Juden würden auch nur einen Heller für ihn locker machen? Nein, der ist kein vertrauenswürdiger Mensch.«
Dann fügte er noch hinzu: »Ah, ich vergaß: Er hat auch Syphilis.«
Mir war schon als Schüler beigebracht worden, dass sich die großen Erzähler in ihren Personen immer selbst beschreiben.
Danach hörte Osman-Bey geduldig zu, was ich ihm zu berichten versuchte, verzog aber die Lippen zu einem verständnisvollen Lächeln, als ich zu meiner pittoresken Beschreibung des Prager Friedhofs kam, und unterbrach mich: »Capitaine Simonini, das klingt nun wirklich nach Literatur, mindestens so sehr wie das, was Sie mir vorgeworfen haben. Ich suche lediglich klare Beweise für eine Verbindung zwischen der Alliance Israélite Universelle und der Freimaurerei, und wenn es möglich ist, sollten sie nicht die Vergangenheit wiederaufrühren, sondern die Zukunft voraussehen, also auf Beziehungen zwischen den französischen Juden und den Preußen hinweisen. Die Alliance ist eine Macht, die im Begriff steht, die Welt mit einem Netz aus Gold und Stahl zu überziehen, um alles und alle zu besitzen, und das ist es, was bewiesen und angeprangert werden muss. Kräfte wie diese Alliance hat es seit vielen Jahrhunderten gegeben, sogar schon vor dem Römischen Reich. Deswegen funktionieren sie, sie haben dreitausend Jahre Erfahrung. Denken Sie nur daran, wie sie Frankreich durch einen Juden wie Thiers beherrscht haben.«
»Thiers war Jude?«
»Wer ist es nicht? Sie sind überall um uns und hinter uns, sie kontrollieren unsere Ersparnisse, lenken unsere Armeen, beeinflussen die Kirche und die Regierungen. Ich habe einen Angestellten der Alliance bestochen – die Franzosen sind alle bestechlich – und mir Kopien der Briefe geben lassen, die an die verschiedenen jüdischen Komitees in den Nachbarländern Russlands geschickt worden sind. Diese Komitees gibt es die ganze russische Grenze entlang, und während die Polizei die großen Straßen überwacht, schleichen ihre Boten über die Felder, durchqueren die Sümpfe, durchschwimmen die Wasserstraßen. Es ist ein einziges Spinnennetz. Ich habe dem Zaren von diesem Komplott berichtet und so das Heilige Russland gerettet. Ich ganz allein. Ich liebe den Frieden, ich wünsche mir eine Welt, die von Sanftmut beherrscht wird, in der niemand mehr die Bedeutung des Wortes ›Gewalt‹ versteht. Würden alle Juden, die mit ihrem Kapital die Kanonenhändler unterstützen, aus der Welt verschwinden, so stünde uns das Goldene Zeitalter bevor.«
»Also was tun?«
»Also werden wir eines Tages die einzig vernünftige Lösung anpacken müssen, die Endlösung: die Vernichtung aller Juden. Auch der Kinder? Jawohl, auch der Kinder. Jaja, ich weiß, das klingt nach einer Idee von Herodes, aber wenn man es mit verdorbenem Samen zu tun hat, genügt es nicht, die Pflanze abzuhacken, man muss sie mit der Wurzel ausreißen. Wenn du keine Mücken willst, töte die Larven. Auf die Alliance Israélite Universelle zu zielen kann auch nur eine vorübergehende Aufgabe sein. Auch die Alliance kann nur durch die vollständige Ausrottung der
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