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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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enthalten sie nur sterile Zeichen, die keine Begriffe hervorbringen, und bleiben stumm. Vielleicht ist diese Bibliothek einst entstanden, um die Bücher, die sie enthält, zu schützen. Aber nun lebt sie, um die Bücher in sich zu begraben. Deshalb ist sie zum Herd des Frevels geworden. Remigius sagte heute, er sei ein feiger Verräter. Nichts anderes ist Benno. Er hat seine Überzeugung verraten. Oh, was für ein schlimmer Tag, lieber Adson! Voller Blut und Verderben! Für heute hab ich genug davon! Komm, lass uns zur Komplet gehen und dann schlafen.«
    Vor der Küche trafen wir auf Aymarus. Er fragte uns, ob es wahr sei, was gemunkelt werde, dass Malachias Benno zu seinem Gehilfen auserwählt habe. Wir konnten es nur bestätigen.
    »Der gute Malachias hat sich heute allerhand feine Sachen geleistet«, kommentierte Aymarus mit seinem gewohnten milde verächtlichen Grinsen. »Wenn es eine Gerechtigkeit gäbe, müsste ihn heute Nacht der Teufel holen.«

 
     
    Fünfter Tag
KOMPLET
    Worin man einer Predigt über das Kommen des Antichrist lauscht und Adson die Macht der Namen entdeckt.
     
    D er Vespergottesdienst war recht unruhig verlaufen, das Verhör des Cellerars war noch im Gange gewesen, viele Mönche hatten gefehlt, viele Novizen waren der Aufsicht ihres Meisters entschlüpft, um durch Fenster und Türspalt die Ereignisse im Kapitelsaal mitzubekommen. So war es nun höchste Zeit, dass die versammelte Bruderschaft für die Seele des toten Severin betete. Wir nahmen an, der Abt werde zur Komplet eine Predigt halten, und fragten uns, was er wohl sagen würde. Tatsächlich trat er nach der liturgischen Homilie des Sankt Gregor, dem Responsorium und den drei vorgeschriebenen Psalmen auf die Kanzel, doch nur um zu verkünden, dass er an diesem Abend schweigen werde. Zu viel Unheil sei über die Abtei hereingebrochen, sagte er, als dass der gemeinsame Vater jetzt, wie es erforderlich sei, im Tone des Tadels und der Ermahnung predigen könne. Alle ohne Ausnahme müssten sich einer strengen Gewissensprüfung unterziehen. Da jedoch einer predigen müsse, schlage er vor, die Ermahnung des ältesten Mitbruders anzuhören, der, weil dem Tode am nächsten, von allen am wenigsten in jene irdischen Leidenschaften verstrickt sei, die so viel Unheil verursacht hätten. Dem Range des Alters entsprechend würde das Wort mithin Alinardus von Grottaferrata gebühren, doch alle wüssten, wie gebrechlich die Gesundheit dieses verehrungswürdigen Mitbruders sei. Als nächster nach Alinardus gemäß der Ordnung des unerbittlichen Ablaufs der Zeiten komme Jorge von Burgos. Ihm erteile der Abt nun das Wort.
    Ein Raunen ging durch jenen Teil des Chorgestühls, wo gewöhnlich Aymarus und die anderen Italiener saßen. Vermutlich, so dachte ich mir, hatte der Abt den greisen Alinardus gar nicht erst gefragt, bevor er Jorge das Wort erteilte. William wies mich leise darauf hin, dass es eine sehr kluge Entscheidung des Abtes war, an diesem Abend nicht zu sprechen, wäre doch alles, was immer er auch gesagt hätte, von Bernard und den übrigen Avignonesern sehr genau registriert worden. Der alte Jorge hingegen würde sich wohl auf eine seiner mystischen Weissagungen beschränken, und dem würden die Avignoneser kein großes Gewicht beimessen. »Ich aber schon«, fügte William hinzu, »denn ich glaube nicht, dass Jorge eingewilligt, ja womöglich den Abt geradezu um das Wort gebeten hat, ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen.«
    Jorge stieg auf die Kanzel, gestützt von einem Novizen. Sein Antlitz wurde erleuchtet von der einzigen Fackel, die das Kirchenschiff matt erhellte auf dem hohen Dreifuß im Chor. Das flackernde Licht betonte die Dunkelheit um seine Augenhöhlen, die wie zwei schwarze Löcher erschienen.
    »Verehrte Brüder«, begann er, »und ihr, unsere lieben Gäste, so wollet denn nun den Worten dieses armen Greises lauschen... Die vier Todesfälle, die unsere Abtei verdüstert haben – um nur von den Toten zu reden und nicht von den alten und neuen Sünden der Unseligsten unter den Lebenden – diese vier Todesfälle sind nicht, wie ihr wisst, den Härten der Natur zuzuschreiben, die unabänderlich in ihren Rhythmen unser irdisches Dasein regelt von der Wiege bis zur Bahre. Ihr alle denkt jetzt vielleicht, diese schmerzlichen Fälle, so sehr sie euch auch mit Trauer erfüllen, beträfen nicht eure Seelen, da ihr alle bis auf einen unschuldig wäret, und wenn dieser eine bestraft worden sei, bleibe euch zwar noch die Klage über

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