Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
erteilten: Ich sah eine Lüsterne, nackt und entfleischt, rot von ekligen Schwären, Schlangen fraßen an ihrem Leib, daneben ein trommelbäuchiger Satyr mit pelzigen Greifenklauen und einer obszönen Fratze, die ihre eigene Verdammnis hinausschrie; und ich sah einen Habsüchtigen, starr in der Starre des Todes auf seinem prunkvollen Lotterbett, nun feige Beute einer Schar von Dämonen, deren einer ihm aus dem röchelnden Munde die Seele zog, sie hatte die Form eines kleinen Kindes (Wehe, nie wird es für ihn eine Auferstehung zum ewigen Leben geben!); und ich sah einen Hoffärtigen, dem ein Alp auf der Schulter hockte und mit spitzigen Krallen die Augen auskratzte, und ich sah noch mehr Dämonen, ziegenköpfige, löwenmähnige, panthermäulige, gefangen in einem Flammenwald, dessen Brandgeruch ich fast zu riechen meinte. Und um sie herum, mit ihnen vermischt, zu ihren Köpfen und zu ihren Füßen, sah ich noch andere Fratzen und Glieder, einen Mann und eine Frau, die sich an den Haaren zerrten, zwei Vipern, die eines Verdammten Augen schlürften, einen irre Lachenden, der mit Krallenhänden den Rachen einer Hydra aufriss, und sämtliche Tiere aus Satans Bestiarium waren versammelt zum Konsistorium und postiert als Wache und Garde des Sitzenden auf dem Thron, seinen Ruhm zu singen durch ihre Unterwerfung: Faune, Hermaphroditen, Bestien mit sechsfingrigen Händen, Sirenen, Zentauren, Gorgonen, Medusen, Harpyien, Erinnyen, Dracontopoden, Lindwürmer, Luchse, Parder, Chimären, Leguane, sechsbeinige Agipiden, die Feuer aus ihren Nüstern sprühten, vielschwänzige Echsen, behaarte Schlangen und Salamander, Vipern, Nattern, Ratten, Raben, Greife, Geier, Eulen, Käuzchen, Wiedehopfe, Wiesel, Warane, Krokodile, Krebse mit Sägehörnern, Leukrokuten mit Löwenkopf und Hyänenleib, Mantikoren mit drei Zahnreihen im Maul, Hydren mit Zahnreihen auf dem Rücken, Drachen, Saurier, Wale, Seeschlangen, Affen mit Hundeköpfen, Makaken, Marder, Ottern, Igel, Basilisken, Chamäleons, Geckos, Skorpione, Sandvipern, Schleichen, Frösche, Polypen, Kraken, Muränen, Molche und Lurche. Die ganze Schauergesellschaft der niederen Kreaturen schien sich ein Stelldichein gegeben zu haben, um der Erscheinung des Sitzenden auf dem Throne als Vorhof zu dienen, als Unterbau und Kellergewölbe, als unterirdisches Land der Verstoßenen, sie, die Besiegten von ARMAGEDDON , im Angesicht des, der da kommen wird, endgültig zu trennen zwischen den Lebenden und den Toten. Starr vor Entsetzen stand ich da, wie betäubt von dieser Vision und nicht mehr ganz sicher, ob ich an einem freundlichen Ort mich befand oder im Tal des Jüngsten Gerichts, und nur mit Mühe vermochte ich meine Tränen zurückzuhalten, und mich dünkte zu hören (oder hörte ich wirklich?) all jene Stimmen, und mich dünkte zu sehen all jene Gesichte, die meine Kindheit begleitet hatten, meine erste Lektüre der heiligen Bücher und meine Nächte der Meditation als Novize im Chor von Melk. Und in der Ohnmacht meiner geschwächten Sinne vernahm ich eine mächtige Stimme wie eine Posaune, und die sprach: »Was du siehest, das schreibe in ein Buch!« (und eben dies tue ich nun). Und ich sah sieben goldene Leuchter und mitten unter den sieben Leuchtern Einen, der war eines Menschen Sohne gleich, der war angetan mit einem langen Gewand und begürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich Messing, das im Ofen glüht, und seine Stimme war wie ein großes Wasserrauschen, und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes zweischneidiges Schwert. Und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel, und Der Da Saß war anzusehen wie der Stein Jaspis und Sarder, und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen wie ein Smaragd, und von dem Thron gingen Blitze und Donner aus, und Der Da Saß hatte in seiner Hand eine scharfe Sichel und rief mit gewaltiger Stimme: »Schlag an mit deiner Sichel und ernte, denn die Zeit zu ernten ist gekommen, reif ist die Ernte der Erde!« Und Der Da Saß schlug an mit seiner Sichel, und die Erde ward geerntet.
    In diesem Augenblick wusste ich, dass meine Vision von nichts anderem sprach als von dem schlimmen Geschehen in dieser Abtei, wie wir es erfahren hatten von den zögernden Lippen des Abtes. Und noch oft in den nächsten Tagen sollte ich hierher zurückkehren, das Portal zu bewundern, im sicheren

Weitere Kostenlose Bücher