Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Fladen aus Kichererbsenmehl, knusprig und zart, der in Scheiben geschnitten und in große Blätter gehüllt werde, man brauche nur noch ein bisschen Pfeffer drüberzustreuen, dann sei es ein Leckerbissen, mit dem man Löwen ernähren könne, besser als ein Stück Rinderbraten; dazu dicke Scheiben Fladenbrot mit Öl, Salbei, Käse und Zwiebeln.
    Niketas hatte für derlei barbarische Speisen nicht viel übrig, und da sie noch einen Tag warten mussten, beschloss er, ihn damit zu verbringen, die letzten Köstlichkeiten zu genießen, die Theophilos noch zubereiten konnte, und die letzten Kapitel von Baudolinos Geschichte zu hören, denn er wollte ungern mittendrin aufbrechen, ohne zu wissen, wie sie endete.
    »Meine Geschichte ist noch zu lang«, sagte Baudolino. »Ich komme in jedem Fall mit euch. Hier in Konstantinopel habe ich nichts mehr zu tun, und jede Ecke ruft böse Erinnerungen in mir wach. Du bist mein Pergament geworden, Kyrios Niketas, auf das ich vieles schreibe, was ich schon vergessen hatte, als bewegte sich meine Hand von allein. Ich glaube, wer Geschichten erzählt, muss immer jemanden haben, dem er sie erzählt, nur dann kann er sie auch sich selbst erzählen. Erinnerst du dich, wie ich dir erzählte, dass ich Briefe an die Kaiserin schrieb, die ich jedoch nicht abschicken konnte? Dass ich die Geschmacklosigkeit beging, sie meinen Freunden zu zeigen, war nur, weil diese Briefe sonst keinen Sinn gehabt hätten. Als ich dann aber mit der Kaiserin diesen Kuss getauscht hatte, habe ich das nie jemand erzählen können und habe die Erinnerung daran viele Jahre lang in mir herumgetragen, manchmal davon kostend wie von deinem Honigwein und manchmal mit einem bitteren Geschmack im Munde. Erst als ich es dir erzählen konnte, habe ich mich frei gefühlt.«
    »Und warum hast du es mir erzählen können?«
    »Weil jetzt, wo ich dir hier erzähle, keiner von denen mehr da ist, die mit meiner Geschichte zu tun gehabt haben. Ich bin als einziger übrig geblieben. Ich brauche dich jetzt so nötig wie die Luft zum Atmen. Ich komme mit nach Selymbria.«
     
    Sobald sich Friedrich von seinen Verletzungen in der Schlacht bei Legnano erholt hatte, rief er Baudolino und den Reichskanzler Christian von Buch zu sich. Wenn man den Brief des Priesters Johannes ernst nehmen wollte, war es gut, sofort anzufangen. Christian las das Pergament, das Baudolino ihm zeigte, und erhob als umsichtiger Kanzler einige Einwände. Vor allem erschien ihm die Schrift nicht angemessen für eine Kanzlei. Dieser Brief sollte am päpstlichen Hof zirkulieren sowie an den Höfen der Könige von Frankreich und England, und er sollte sogar bis zum Basileus von Byzanz gelangen, also musste er so beschaffen sein, wie wichtige Dokumente in der ganzen christlichen Welt nun einmal beschaffen waren. Des weiteren brauchte man Zeit, um Siegel herzustellen, die wirklich wie Siegel aussahen. Wenn man eine seriöse Arbeit machen wollte, durfte man nichts überstürzen.
    Wie sollte man die anderen Kanzleien über den Brief in Kenntnis setzen? Wenn die Reichskanzlei ihn verschickte, würde die Sache unglaubwürdig erscheinen. Man stelle sich vor, der Priester Johannes schreibt einen privaten Brief, um jemandem zu erlauben, ihn in einem allen unbekannten Land zu besuchen, und der Empfänger macht diesen Brief Krethi und Plethi bekannt, so dass ihm ein anderer zuvorkommen kann! Gerüchte über den Brief sollten zweifellos umgehen, nicht nur, um eine künftige Expedition zu rechtfertigen, sondern vor allem, um die ganze Christenheit sprachlos zu machen – aber die Sache durfte nur tröpfchenweise durchsickern, so als verriete jemand ein allerhöchstes Staatsgeheimnis.
    Baudolino schlug vor, seine Freunde einzuschalten. Sie würden unverdächtige Helfer sein, Absolventen des Studiums in Paris und nicht Männer Friedrichs. Abdul könnte den Brief in die Reiche des Heiligen Landes schmuggeln, Boron nach England, Kyot nach Frankreich, und Rabbi Solomon könnte ihn den Juden im Byzantinischen Reich zuspielen.
    So vergingen die nächsten Monate mit allerlei Geschäftigkeit, und Baudolino sah sich zum Leiter eines Scriptoriums ernannt, in dem alle seine alten Gefährten arbeiteten. Friedrich ließ sich ab und zu über den Stand der Dinge unterrichten. Er hatte angeregt, das im Brief gemachte Angebot des Gradals ein bisschen genauer zu formulieren. Baudolino hatte ihm dargelegt, wieso es besser war, es im vagen zu belassen, aber er hatte bemerkt, dass der Kaiser von diesem

Weitere Kostenlose Bücher