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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Westen vergessen worden, aber im Reich von uns Römern hat man sie lange diskutiert, und es hat Leute gegeben, die wegen solcher Nuancen exkommuniziert, verbannt oder sogar getötet worden sind. Was mich überrascht, ist, dass diese Diskussionen, die bei uns seit langem unterdrückt worden sind, dort noch weiterleben.«
    Und im stillen dachte er: Ich habe immer Zweifel, ob dieser Baudolino mir nicht Lügenmärchen erzählt, aber ein halber Barbar wie er, der unter Alemannen und Langobarden gelebt hat, denen es schwerfällt, zwischen der Heiligen Dreifaltigkeit und Karl dem Großen zu unterscheiden, der könnte diese Dinge nicht wissen, wenn er sie nicht dort gehört hätte. Oder hat er sie vielleicht woanders gehört?
     
    Immer wieder wurden unsere Freunde zu den widerwärtigen Festessen bei Praxeas eingeladen. Ermutigt vom burq , mussten sie dabei wohl gegen Ende des Mahles gelegentlich Dinge gesagt haben, die sich für Magier kaum geziemten, und im übrigen hatte Praxeas inzwischen Vertrauen zu ihnen gefasst. So kam es, dass er eines Abends, als er und sie reichlich getrunken hatten, zu ihnen sagte: »Meine hochgeschätzten Herren Gäste, ich habe lange über jedes Wort nachgedacht, das ihr seid eurer Ankunft hier gesprochen habt, und mir ist klar geworden, dass ihr niemals behauptet habt, die Magier zu sein, die wir erwartet haben. Ich glaube zwar immer noch, dass ihr es seid, aber wenn ihr es zufällig, ich sage zufällig, nicht sein solltet, wäre es nicht eure Schuld, dass alle es glauben. In jedem Fall, erlaubt mir, wie ein Bruder mit euch zu sprechen. Ihr habt gesehen, was für ein Ketzernest Pndapetzim ist und wie schwer es ist, dieses Monsterpack ruhig zu halten, einerseits mit der Angst vor den Weißen Hunnen und andererseits, indem wir uns zu Interpreten des Willens und Wortes jenes Priesters Johannes machen, den sie nie gesehen haben. Was kann da unser junger Diakon helfen, werdet auch ihr euch gefragt haben. Wenn wir Eunuchen jedoch auf die Unterstützung und Autorität der Magier zählen können, vergrößert sich unsere Macht. Sie vergrößert und festigt sich hier, aber sie könnte sich auch ... woandershin ausdehnen.«
    »Ins Reich des Priesters?« fragte der Poet.
    »Wenn ihr dorthin kämt, müsstet ihr als die legitimen Herren anerkannt werden. Um dorthin zu kommen, braucht ihr uns, und wir brauchen euch hier. Wir sind eine eigenartige Rasse, nicht wie die Monster da draußen, die sich nach den elenden Gesetzen des Fleisches reproduzieren. Eunuch wird man, weil die anderen Eunuchen einen auserwählt und zum Eunuchen gemacht haben. In dem, was viele für ein Unglück halten, fühlen wir uns vereint wie in einer Familie, ich meine, wir mit allen anderen Eunuchen, die irgendwo auf der Welt regieren, und wir wissen, dass es auch im fernen Okzident sehr mächtige gibt, um nicht von den vielen anderen Reichen in Indien und Afrika zu reden. Wir bräuchten nur von einem besonders mächtigen Zentrum aus unsere Mitbrüder in allen Ländern der Erde zu einem geheimen Bund zu vereinigen, und wir hätten das größte aller Reiche gegründet. Ein Reich, das niemand erobern oder zerstören könnte, weil es nicht aus Armeen und Territorien bestünde, sondern aus einem Gewebe wechselseitigen Einverständnisses. Ihr wärt das Symbol und die Garantie unserer Macht.«
    Am nächsten Tag kam Praxeas zu Baudolino und gestand ihm, dass er den Eindruck habe, am Abend zuvor sehr dumme und sinnlose Sachen gesagt zu haben, die er nie ernst gemeint habe. Es tue ihm leid und er bitte sehr darum, seine Worte zu vergessen. Beim Abschied wiederholte er noch einmal: »Ich bitte euch, denkt daran, sie zu vergessen.«
    »Priester oder nicht«, kommentierte der Poet noch am selben Tag, »Praxeas bietet uns ein Reich an.«
    »Du bist verrückt«, entgegnete Baudolino, »wir haben eine Mission, und wir haben es Friedrich geschworen.«
    »Friedrich ist tot«, sagte der Poet trocken.
     
    Mit Erlaubnis der Eunuchen ging Baudolino häufig den Diakon besuchen. Sie hatten sich angefreundet, Baudolino erzählte ihm von der Zerstörung Mailands, von der Gründung Alexandrias, von den Einzelheiten der Belagerungen – wie man die Mauern erklimmt oder was man tun muss, um die Wurfmaschinen und Rammböcke der Angreifer in Brand zu stecken. Ihm schien, dass dem jungen Diakon bei diesen Erzählungen die Augen glänzten, obwohl sein Gesicht unter einem Schleier verborgen blieb.
    Danach fragte Baudolino den Diakon nach den theologischen

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