Die Hitzkammer
hinauf und stellte zufrieden fest, dass sie eingeschlummert war.
Da schloss er die Türklappe ab.
Um die dritte Stunde nach Mittag suchte Lapidius die beiden Zeuginnen auf. Die von Marthe gegebene Beschreibung machte es ihm leicht, den Weg zu finden. Die Frauen wohnten in zwei Wand an Wand stehenden Häusern. Er hatte Glück, denn er traf beide am Küchenfeuer der Drusweiler an. Nachdem er sich vorgestellt hatte, taxierte die Dürre ihn von oben bis unten und fragte mit säuerlicher Stimme: »Und? Was verschafft uns die Ehre Eures Besuchs?«
Lapidius rückte seine Samtkappe zurecht und straffte sich. »Kennt Ihr eine Freyja Säckler?« »Wie sollten wir nicht? Die halbe Stadt kennt doch die Hexe.«
»Eben darüber wollte ich mit Euch sprechen. Wieso seid Ihr sicher, dass sie eine Hexe ist?«
Die dicke Koechlin mischte sich ein. »Alle Welt weiß es. Also auch wir. Was gehts Euch an?«Ihre Äuglein erinnerten Lapidius an die eines Mäuschens. Freyj a hatte in der Tat eine gute Beschreibung der Frauen abgegeben. Noch ehe er etwas erwidern konnte, gab sie selbst die Antwort: »Wohl, weil Ihr mit der zusammenlebt, wie? Man hat Euch gesehen, wie Ihr gemeinsam Euer Haus betreten habt. Die Spatzen pfeifens von den Dächern, dass Ihr mit der was habt. Und? Ist es so?«
Lapidius versuchte, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Er durfte sich nicht in die Defensive drängen lassen, musste es anders anpacken. »Richter Meckel erzählte mir, Ihr behauptet, die Säckler hätte einen Axtstiel bluten lassen.«
Nun war die Koechlin wieder dran: »Das und mehr! Wir habens mit unseren eigenen Augen gesehen, nicht wahr, Maria?«
»So gewiss, wie der Heiland am Kreuze starb«, nickte die Dürre. »Es war unsere Pflicht, alles zu melden, damit unsere Stadt endgültig von Hexen, Truden, Unholden und Weidlerinnen befreit wird. Wir lieben es, wenn Ordnung herrscht.«
Lapidius kam ein Gedanke. Es gab in vielen Landstrichen so genannte Hexensucher. Das waren Männer oder Frauen, die gewerbsmäßig Verleumdungen sammelten, um sie an die Obrigkeit weiterzugeben. Wurden die Denunzierten überführt, kassierten sie eine Belohnung – wobei anzumerken war, dass die Überführung nahezu immer gelang, weil die Opfer unter der Folter gestanden. Waren Auguste Koechlin und Maria Drusweiler Hexensucherinnen? »Wie oft habt Ihr schon derartige Aussagen vor einem Gericht gemacht?«, fragte er.
»Wie oft?« Beide Zeuginnen schauten sich an. »Wieso? Das erste Mal natürlich.«
»Soso. Natürlich, sagt Ihr?« Lapidius überlegte rasch. In der Tat sprach einiges dafür, dass die Frauen in diesem Punkt nicht logen, denn als gewerbsmäßige Hexensucherinnen hätten sie eine gewisse Bekanntheit in der Stadt gehabt. Er ließ das Thema fallen. Sein Blick wanderte durch die blitzblank geputzte Küche und durch das Fenster in den gemeinsamen Hinterhof hinaus. Jedes Ding befand sich an seinem Platz. Drinnen wie draußen. Der Hof war sorgfältig gefegt. In einer Ecke hing gut gefettetes Pferdegeschirr, davor stand ein zweirädriger Holzkarren, auch dieser gepflegt und bestens instand. Ein kleiner Kräutergarten grüßte herüber, und ganz hinten, in einer Ecke, war Scheitholz akkurat übereinander gestapelt. Ein Hauklotz gehörte dazu – mit einer hineingeschlagenen Axt.
Lapidius setzte sein verbindlichstes Lächeln auf und bat: »Würdet Ihr mir einen Gefallen erweisen? Bitte folgt mir auf den Hof.« Ohne die Antwort der zwei abzuwarten, schritt er hinaus, überquerte den Platz und blieb schließlich vor der Axt stehen. Mit einiger Anstrengung riss er sie aus dem Hauklotz und untersuchte alsdann den Stiel auf das Sorgfältigste. Endlich wandte er sich an die Frauen: »Könnt Ihr mir sagen, wo an diesem Schaft Blut klebt?«
»Blut, wieso soll da denn Blut dran sein?«, fragte die dicke Koechlin.
Lapidius blickte ihr direkt in die Mausäuglein.
Sie wurde unsicher. »Das ist die Axt von meinem Mann. Und es ist nicht so, wie Ihr denkt. Mein Walter könnts bestätigen, aber er ist im Berg. Nicht wahr, Maria?«
Die Dürre nickte. »Im Berg«, wiederholte sie.
»Aber Ihr habt doch vorhin gesagt, Ihr hättet mit eigenen Augen gesehen, wie der Stiel geblutet hat. Da liegt es nahe, dass es diese Axt war. Und dass die Säckler hier auf dem Hof ihr Unwesen getrieben hat.«
Die Koechlin knetete die Hände. »Diese Axt wars nicht. Es war eine andere.«
»Aha. Eine andere. Wo habt Ihr denn diese andere Axt bluten sehen? Auf dem Marktplatz? Vor der
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