Die Hochzeit meiner besten Freundin
auf zehn gesprungen ist, und die uns jetzt anstarrt. Auf ihrem Gesicht liegt ein eigenartiger Ausdruck.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ein zweites Mal Unwissenheit vortäuschen kann. Ich werde genau das tun müssen, was ich zurzeit praktisch jeden Tag in meinem Leben zu tun versuche: Lügen. Und zwar schnell.
»Na ja, ich würde sie nicht gerade als Freundin bezeichnen. Ihr gehört die Nachbarwohnung. Nicky und Amanda haben sich angefreundet, wir gehen ab und zu zusammen weg.«
Das war doch gar nicht so schlecht, sogar fast die Wahrheit.
»Das waren wir auch mal.« Nervös blickt Eddie zu ihr hinüber, doch Gott sei Dank redet sie gerade mit Nicky und bemerkt es nicht.
»Wie bitte?«
»Zusammen weg. Wir sind ein paar Mal zusammen weggewesen.«
»Ach ja?« Ich versuche, überrascht zu klingen.
»Ja, ein paar Freunde von uns sind immer mal zusammen ausgegangen. Einmal waren dann nur wir zwei aus. Sie brauchte einen Begleiter für irgend so ein Wohltätigkeitsding. Um ehrlich zu sein, danach war sie ein bisschen... du weißt schon... na ja, ich glaube, sie wollte mehr als nur Freundschaft.«
»Und du nicht?«
Er schüttelt den Kopf.
Also, wenn das nicht ganz etwas anderes ist als Amandas »bis dass der Tod uns scheidet«.
»Versteh mich nicht falsch«, fährt er fort, »sie ist ja ganz nett... entschuldige, das hört sich verdammt herablassend an, was? Das war nicht meine Absicht, aber sie ist halt ein bisschen... ein bisschen…«
»Exzentrisch?«, schlage ich vor.
»Findest du das auch?«
Ich nicke nachdrücklich und komme mir dabei höchst unloyal vor.
»Mir fällt gerade keine bessere Beschreibung ein.«
Ich habe ein schlechtes Gewissen. Sollte ich Amanda nicht anpreisen? Eddie erzählen, wie wunderbar sie ist? Ich sollte ein paar Anspielungen auf den Kochkurs einfließen lassen, auf ihr Näschen für gute Weine und auf ihr Händchen für eine gelungene Inneneinrichtung.
»Ich denke mal, dass sie ganz okay ist, wirklich«, ist alles, was ich zustande bringe. Na klasse, Annabelle. Ich versuche es noch einmal.
»Manchmal ist sie wirklich ganz lustig.«
Sein skeptischer Blick scheint zu sagen, dass er bezweifelt, ob ich auch nur ein Wort von dem soeben Gesagten glaube. Genau aus diesem Grund bin ich auch nicht Schauspielerin geworden. Allein mit mir selbst bin ich brillant. In der Abgeschirmtheit meiner einsamen, publikumsfreien Gesellschaft bin ich gut genug, um noch den ganz Großen Konkurrenz zu machen. Doch sobald ich ein Publikum vor mir habe, das ich überzeugen muss, versage ich kläglich.
Doch zu meiner Überraschung nickt er, als würde er mir zustimmen.
»O ja, sie kann sehr lustig sein.«
Kann sie das?
»Aber sie kann auch ein bisschen... nun ich denke, besessen wäre ein bisschen zu stark, aber…«
Ich nicht. Trifft eher den Nagel auf den Kopf. O Gott, auf was habe ich mich da nur eingelassen?
»Dabei ist es meine eigene Schuld.« Er zuckt die Achseln.
»Ich hätte von Anfang an offen zu ihr sein sollen, aber zuerst habe ich gar nicht gemerkt, was sie wollte, und als ich dann einen Hinweis darauf hatte, dass sie auf mich stehen könnte, wollte ich lieber nichts sagen, für den Fall, dass ich mich irre, sonst hätte ich arrogant gewirkt. Danach wusste ich nicht, wie ich es ansprechen sollte, denn ich wollte sie nicht verletzen. Schließlich bin ich ihr einfach aus dem Weg gegangen. Feige, aber sehr effektiv, fürchte ich.«
Überrascht sehe ich ihn an.
Vielleicht hatte ich einfach bisher kein Glück, aber ich kann mich nicht erinnern, je einen Mann getroffen zu haben, der die Verantwortung für sein Handeln übernimmt.
Ich bin beeindruckt.
Und ich bin durcheinander.
Amanda zufolge steckte weit mehr hinter dieser zugegebenermaßen kurzen Beziehung als nur ein paar Pflichttreffen.
Ich denke mal, so sehr sie vielleicht übertrieben hat, so sehr könnte er jetzt untertreiben.
»Bist du sicher, dass nicht doch etwas war?«
»Glaubst du etwa, ich vergäße so eine Geschichte?« Er lacht bitter. »Sie ist nicht mein Typ, Belle.«
So weit waren wir schon.
»Vielleicht hat sie sich seit eurem letzten Treffen ja verändert?«, schlage ich halbherzig vor.
»Das hat sie.«
»Ja?«
Er nickt nachdrücklich.
»Sie muss mindestens zehn Kilo zugelegt haben!«
»Warum sind Männer nur so oberflächlich? Ich rede von ihrer Persönlichkeit!«
»Jetzt tu nicht so, Belle. Natürlich fällt mir ihr Erscheinungsbild auf. Du musst zugeben, es ist das Erste, was man nun einmal
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