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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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kein Gefühl der Falschheit. Bloß er.

Martine
    Trine wurde in einem kleinen Schiffsraum untergebracht, der einen direkten Ausgang zum Deck hatte.
    »Fischraum« hatte die Kapitänin ihn genannt, und so roch er auch. Es war Trine nicht leichtgefallen, sich hier einzugewöhnen, aber es war immer noch viel besser, als zu versuchen, sie tiefer unter Deck unterzubringen. Die Hälfte des Raums war zugehängt worden, um sie vor Regen und Sonne zu schützen, doch sie konnte die Nase ins Freie stecken und sich ein wenig an ihrer Leine bewegen.
    »Schau. Das ist meine Tante Rumer«, sagte Zel ausdruckslos, während sie nach oben Richtung Takelung blickte, wo eine dunkelhaarige Frau ein Segel aufband und es dann fallen ließ. »Oder vielleicht Rawnie.« Sie blinzelte, wie um besser sehen zu können. »Es sind Zwillinge.«
    Trine schnaubte und wollte ausbrechen, als das Segel sich blähte, doch Zel hielt sie fest und tätschelte sie.
    »Lass ihr nicht zu viele Freiheiten«, wies die Kapitänin sie an. »Wenn die Dünung zunimmt, werden wir sie festzurren müssen, und das wird ihr nicht gefallen, also halte sie kurz angebunden.«
    Zel hatte zwar ein finsteres Gesicht gemacht, die Notwendigkeit jedoch eingesehen. Sie hatte Trine daher als Erste an Bord geführt, um ihr Zeit zu geben, sich in ihrer neuen Unterkunft einzugewöhnen, bevor sie in See stachen. Martine
und Zel hatten ihr Gesellschaft geleistet. Allmählich, so dachte Martine, akzeptierte Trine sie als unzulängliche Stellvertreter für Bramble. Während das Schiff die Hafenanlage hinter sich ließ, begann Zel damit, Trines Vorderfüße mit einem wattierten Verband zu umwickeln. Dieser sollte dazu dienen, dass sie sich bei Unwetter keine Blutergüsse zuzog. Dabei achtete sie sorgsam darauf, nicht hochzuschauen.
    »Es muss schön für dich sein, Familienmitglieder zu treffen«, sagte Martine leichthin zu Zel. Tatsächlich jedoch machte sie sich so ihre Gedanken. Zel schien etwas verwirrt zu sein, so als wisse sie nicht recht, wie sie es finden sollte. Mit Sicherheit empfand sie nicht nur die reine, unkomplizierte Freude, jemanden aus ihrer Familie zu treffen.
    Aber war Familie denn jemals unkompliziert? Martine sinnierte über ihre eigenen vier Tanten, die mittlerweile alle tot waren. Ihnen gegenüber empfand sie eine Mischung aus Liebe, Verbitterung und Stolz, so wie eine Nichte nur empfinden konnte. Sie fragte sich, wie ihr wohl zu Mute wäre, wenn sie ihnen während jener Jahre, in denen sie auf Wanderschaft gewesen war und bevor sie alle von den Leuten des Eiskönigs getötet worden waren, unerwartet begegnet wäre. Irgendwie hatte sie den Eindruck, als läge mehr in Zels Augen als nur die Zwiespältigkeit, die ein unabhängiges Mädchen in Bezug auf ihre Sippe empfinden konnte.
    »Sind es die Schwestern deiner Mama?«, fragte Martine höflich. »Oder die von deinem Papa?«
    »Mamas«, antwortete Zel, wobei sie die Lippen zusammenkniff, kaum dass sie das Wort ausgesprochen hatte, so, als wolle sie es ungesagt machen.
    Ja, das war es. Es hatte etwas mit Zels Mama zu tun. Martines seherische Fähigkeiten meldeten sich, aber sie benötigte sie gar nicht, um zu wissen, dass Zel und ihre Mama eine
schwierige Zeit miteinander gehabt hatten. Vielleicht rief der Anblick dieser Tanten schlechte Erinnerungen hervor. Später jedoch sah sie Zel mit den beiden Frauen, die sich ähnelten wie ein Ei dem anderen, zu Abend essen, und die drei lachten miteinander.

    Früh am Morgen erreichten sie Mitchen. Es war ein grauer Tag, und es wehte ein kühler Wind. Im Gegensatz zu Turvite hatten die Bewohner von Mitchen ihre Häuser bis an den Rand der Landspitzen gebaut, sodass sie bei der Einfahrt in den Hafen unterhalb von Häusern und Geschäften vorbeisegelten und der Menschen gewahr wurden, die schon früh auf den Straßen waren und auf sie deuteten, riefen und zu den Docks liefen.
    »Keine Schiffe im Hafen«, stellte Arvid fest und wirkte besorgt.
    Während die Seeleute an dem großen Dock festmachten, drängte sich eine Menschenmenge bis an das Schiff. Es waren zumeist Männer, doch auch einige Frauen, die Babys trugen oder Kinder an der Hand hielten. Dunkelhaarige waren nicht unter ihnen, jedenfalls sah Martine keine. Ob alle Wanderer aus Mitchen irgendwo Zuflucht genommen hatten? Sie hoffte es, denn da die Nachricht von dem Massaker in Carlion sich offenkundig über das ganze Land verbreitete, würde es nicht lange dauern, bis jemand beschloss, dass irgendwie alle Wanderer

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