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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Waschlappen ein, biß die Zähne aufeinander, schloß die Augen und berührte mit dem feuchten Lappen die Brust. Der Schock war eisig, denn ein Winter in einem ungeheizten Haus ist nun einmal eiskalt. Manchmal froren in der Küche die Leitungen zu, so daß man kein Wasser mehr hineinpumpen konnte, und sie mußten dann das Eis aufbrechen und mit einem Holzeimer schöpfen. Aber bald wurde seine Brust durch das Rubbeln gewärmt, und er rieb im Zickzackmuster weiter, bis er an Bauch und Beine gelangte. Dann noch ein frisches Eintauchen für den Rücken. Er bewegte sich schnell, denn ihm klapperten die Zähne, und seine Haut wurde blau. Und das war kaum schlimmer, als im Sommer in einem Bergsee zu schwimmen; das Wasser schoß aus der Quelle irgendwo hoch in den Bergen durch eine schmale Schlucht herab und war so kalt, daß er nicht hineinzuspringen wagte. Er mußte langsam hineingehen, ließ die Zehen taub werden, dann die Schenkel und langsam die oberen Partien, bis schließlich sein ganzer Körper wie betäubt war und er schwimmen konnte. Einige Leute waren in der Lage hineinzuspringen, und sie stießen einen lauten Schrei aus, wenn sie das Wasser erreichten – aber sie waren vielleicht besser mit Fett gepolstert. Das war auch das Geheimnis des Walrosses. Paul war mager; ihm ging die Kälte direkt bis auf die Knochen, und wenn er herauskam, strahlte sie aus den Knochen wieder in die Haut ab. Es dauerte bei ihm eine halbe Stunde, bis er wieder warm war. Aber er schwamm gerne. Dabei konnte er sich vom Boden abheben und sich fühlen, als würde er fliegen. Fliegen bedeutete für ihn im übertragenen Sinne eine Art Flucht.
    In weniger als einer Minute hatte er seine Morgenwäsche beendet. Er schüttete die Schüssel in das Waschbecken aus, dessen Abfluß durch ein Loch in der Wand nach draußen auf den Müll führte, und lief zurück die Treppen hoch. Theoretisch gesehen hätte diese Bewegung seinen Körper wieder erwärmen müssen; aber es war einfach zu kalt, um mit so einfachen Maßnahmen mit der Kälte fertig zu werden. Er benutzte kein Handtuch; das Wasser trocknete durch die Bewegung. Jetzt konnte er sich endlich anziehen, und das war schon ein Trost. Den schlimmsten Teil des Morgens hatte er hinter sich gebracht. Hose und Hemd und Pullover und Socken. Die Stiefel schlug er mit den Absätzen gegeneinander, ehe er sich mit den Füßen hinein traute; einmal hatte er es ohne diese Maßnahme probiert und innen etwas Komisches gefühlt: einen großen, schwarzen vielbeinigen Käfer. Das hatte gereicht, ihn entsprechend zu konditionieren. Er hatte keine Angst vor Insekten, aber in den Schuhen hatte er sie auch nicht gerne. Einige Käfer konnten nämlich zubeißen.
    Er ging hinab in die warme Küche, die durch einen Holzofen geheizt wurde. Die Energiekrisen hatten das Holz wieder in Mode gebracht, besonders auf dem Land, wo man es auflesen und fällen durfte, ohne dafür zu bezahlen. Dieser Ofen wurde am Morgen angezündet und brannte den ganzen Tag über; manchmal, wenn draußen minus achtzehn Grad herrschten, zeigte das Thermometer in der Küche mehr als dreißig Grad an.
    Paul hatte den Ofen gern. Dahinter befand sich gerade so viel Platz bis zur Wand, daß er dort sitzen konnte, und er genoß dort eine ständige Temperatur von vierzig Grad. Von Hitze konnte er nie genug bekommen – das erinnerte ihn an die glücklichen Zeiten in Afrika, wo es immer warm gewesen war, physisch und auch emotional, zwei Dinge, die für ihn eng miteinander verbunden waren. Aber dazu hatte er nun keine Zeit. Sein Haferbrei aus geschroteten Körnern war fertig, und er mußte sich beeilen. Er goß etwas Ziegenmilch darüber, um ihn abzukühlen, und begann zu essen. Es war eine gute, nahrhafte Mahlzeit, und es gab immer reichlich davon. Hungrig war er nie.
    „Ich frage mich, wohin das führt“, murmelte Satan. „Aber wir haben ja reichlich Zeit. Weiter.“
    Dann schnell in die Galoschen, Mantel, Fäustlinge und Mütze, die er sich eng zusammenband, um die Ohren zu schützen. Zur Schule war es ein langer Weg, der aber – einmal freigeschaufelt – gut begehbar war. Draußen war es kalt, aber es herrschte kein Wind. Der in der Nacht gefallene Schnee lag einige Zentimeter hoch, machte sich jedoch in der tiefen Spur, die man letzte Woche durch die Eiskruste gehauen hatte, kaum bemerkbar. Diese Eiskrusten waren schon interessant. Sie bildeten sich, wenn die Sonne die oberste Schneeschicht wegschmolz und es in der Nacht wieder stark fror. Einmal

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