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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sagte er ohne Umschweife und reichte mir ein Gebetbuch und
eine Bibel.
    »Von wem sind die?«
    Er wollte nichts dazu sagen. »Er hat sie verlangt«, sagte er
lediglich. »Mir wurde gesagt, du würdest sie ihm gerne bringen.« Und
ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er wieder in der Dunkelheit,
eilte geduckt an der Mauer entlang, ließ mich mit den beiden Büchern
auf dem Arm stehen.
    Bevor ich in den Palast zurückging, schlug ich die Bücher auf
und suchte auf den Vorsatzblättern nach einer geheimen Nachricht, fand
jedoch keine. Ich konnte sie also Lord Robert bringen. Ich wusste nur
nicht, ob ich ihn sehen wollte.
    Am Morgen, im hellen Tageslicht, beschloss
ich, zum Tower zu gehen, als hätte ich nichts zu verbergen. Ich zeigte
dem Wächter am Tor die Bücher, und der Mann blätterte sie durch und
musterte die Buchrücken, als müsse er sich davon überzeugen, dass
nichts darin versteckt war. Verständnislos starrte er auf den Druck.
»Was ist das?«
    »Griechisch«, antwortete ich. »Und das andere ist Latein.«
    Er musterte mich von Kopf bis Fuß. »Zeig mir die Innenseite
deiner Jacke. Und dreh deine Taschen um!«
    Ich tat, wie mir geheißen. »Bist du nun ein Bursche oder ein
Mädchen, oder irgendwas dazwischen?«
    »Ich bin Hofnarr der Königin«, gab ich zurück. »Und es wäre
besser, du ließest mich passieren.«
    »Gott segne Ihre Majestät!«, stieß er mit plötzlicher
Begeisterung hervor. »Und jede Merkwürdigkeit, mit der sie sich zu
erfreuen beliebt!« Er führte mich über den weiten Rasen zu einem neuen
Gebäude. Ich folgte ihm, bemüht, nicht auf den Richtplatz zu schauen,
auf dem sie das Schafott zu errichten pflegten.
    Wir gingen durch eine schöne Flügeltür und stiegen eine
steinerne Wendeltreppe hinauf. Oben angekommen, schloss der Wächter die
Tür auf und ließ mich eintreten.
    Lord Robert stand am Fenster und atmete den kalten Wind ein,
der von der Themse herüberwehte. Als er das Klirren der Schlüssel
vernahm, wandte er den Kopf. Die Freude bei meinem Anblick war ihm
deutlich anzumerken. »Holder Knabe!«, rief er aus. »Endlich!«
    Das Gemach war größer und schöner als jenes, in dem ich ihn
zuletzt gesehen hatte. Es ging auf den dunklen Hof hinaus, und vor dem
Nachthimmel glühte der White Tower. Ein großer Kamin beherrschte das
Zimmer, und rund um den Kamin hatten die Unglückseligen, die hier
eingekerkert waren, mit dem Messer ihre Wappen und Initialen
eingeritzt. Auch Lord Roberts Wappen sah ich, eingekerbt von seinem
Bruder und seinem Vater, die den Stein bearbeitet hatten, während sie
auf ihr Urteil warteten, als unten im Hof bereits das Schafott
errichtet wurde.
    Die Monate im Gefängnis hatten unterdessen ihre Spuren
hinterlassen. Lord Roberts Haut war blass, blasser noch als im Winter,
denn man hatte ihm nicht erlaubt, sich im Hof zu ergehen. Seine Augen
saßen tiefer in den Höhlen als früher. Doch er trug ein reines Hemd,
und seine Wangen waren frisch rasiert, sein Haar seidig und glänzend,
und mein Herz tat bei seinem Anblick immer noch einen Sprung, auch wenn
ich mich zurückhielt und versuchte, ihn als das zu sehen, was er war:
ein Verräter und ein zum Tode Verurteilter, der auf den Tag seiner
Hinrichtung wartete.
    Er erkannte mit einem Blick, wie mir zumute war. »Böse auf
mich, holder Knabe?«, fragte er. »Habe ich dir etwas getan?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Mylord.«
    Er trat näher heran. Obwohl ich vom Geruch seines
Stiefelleders und dem warmen Duft seines Samtjacketts angezogen wurde,
wich ich vor ihm zurück.
    Er fasste mein Kinn und hob es hoch. »Du bist unglücklich«,
stellte er fest. »Warum? Doch nicht wegen deines Verlobten?«
    »Nein«, erwiderte ich.
    »Warum dann? Sehnst du dich nach Spanien zurück?«
    »Nein.«
    »Bei Hofe unzufrieden?«, mutmaßte er. »Streit unter den
Mädels?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Du willst nicht bei mir sein? Du wolltest nicht kommen?« Und
als er eine winzige Gefühlsregung über mein Gesicht huschen sah, rief
er aus: »Oho! Du treulose! Du bist umgedreht worden, mein holder Knabe,
wie es Spionen oft geschieht. Du bist umgedreht worden, und nun
spionierst du mich aus.«
    »Nein«, bekannte ich mit matter Stimme. »Niemals. Ich würde
Euch niemals ausspionieren.«
    Ich wollte zurückweichen, doch er hielt mein Gesicht mit
beiden Händen fest und las in meinen Augen, als wäre ich ein
aufgeschlagenes Buch.
    »Du zweifelst an meiner Sache und traust mir nicht mehr, und
nun bist du ihr Diener

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