Die Hofnärrin
bevor nicht die gesamte Phalanx der Unruhestifter
verhaftet, des Hochverrats angeklagt und hingerichtet worden war. Die
weichherzige Königin dürfe keine Gnade mehr walten lassen. Selbst jene,
die Königin Marias Milde gepriesen hatten, weil sie Lady Jane und die
Brüder Dudley lediglich im Tower gefangen hielt, drängten sie nun, ein
Ende zu machen und die Gefangenen zur Richtstätte zu schicken. Es
kümmerte niemanden, dass Jane an diesem Aufstand völlig unschuldig war,
so unschuldig wie an ihrer Thronbesteigung. Auf Janes Kopf hatten die
Aufrührer die Krone drücken wollen, und deshalb musste dieser Kopf
abgeschlagen werden.
»Sie würde Euch das Gleiche antun, Euer Majestät«, redeten die
Ratgeber Maria ein.
»Sie ist ein Mädchen von sechzehn Jahren«, erwiderte die
Königin und presste die Hände gegen ihre schmerzenden Schläfen.
»Ihr Vater hat sich um ihretwillen den Rebellen angeschlossen.
Die anderen haben es für Elisabeth getan. Diese beiden jungen Frauen
sind Eure geborenen Feindinnen. Ihr findet keine Ruhe, solange sie
leben. Sie müssen vernichtet werden.«
Die Königin trug diese hartherzigen Ratschläge auf ihren
Betstuhl. »Jane trifft keine Schuld, es sei denn, man wollte sie für
ihre Abstammung verantwortlich machen«, flüsterte sie und schaute zum
gekreuzigten Jesus auf.
Sie wartete, als hoffte sie auf das Wunder einer Antwort.
»Und du weißt so gut wie ich, dass Elisabeth wirklich schuldig
ist«, fügte sie noch leiser hinzu. »Aber wie kann ich meine Cousine und
meine Schwester aufs Schafott schicken?«
Jane Dormer warf mir einen Blick zu, und wir beide rückten
unsere Stühle näher heran, um die Königin vor den Blicken der Hofdamen
abzuschirmen. Wenn sie betete, sollte niemand zuhören. Sie fragte den
einzigen Ratgeber, dem sie wirklich vertraute. Sie legte den nackten,
durchbohrten Füßen ihres Gottes die Entscheidung vor, die sie zu
treffen hatte.
Der Kronrat suchte nach Beweisen für Elisabeths
Verschwörungsbestrebungen und fand genug, um sie ein Dutzend Mal hängen
zu lassen. Sie hatte sowohl Thomas Wyatt als auch Sir William Pickering
getroffen, auch noch nach Ausbruch der Rebellion. Ich selbst hatte
erlebt, welche Mittel diese erfahrene Intrigantin einsetzte, um sich
eine Botschaft überbringen zu lassen. Ich zweifelte ebenso wenig daran
wie die Königin, dass – wäre die Rebellion erfolgreich
gewesen – nun eine Königin Elisabeth am Kopf der Ratsrunde
sitzen und überlegen würde, ob sie das Todesurteil für ihre
Halbschwester und für ihre Cousine unterzeichnen sollte. Vermutlich
hätte auch Königin Elisabeth stundenlang auf den Knien gelegen und um
göttlichen Ratschlag gebetet. Aber unterzeichnet hätte sie gewiss.
Eine Wache klopfte an die Tür und spähte in das stille Zimmer.
»Was gibt es?«, fragte Jane Dormer leise.
»Nachricht für die Hofnärrin, sie soll zum Seitentor kommen«,
antwortete der junge Mann.
Ich nickte und stahl mich fort. Als ich die Tür öffnete und in
das Audienzzimmer heraustrat, entstand Unruhe unter den dort
Versammelten. Es waren alles Bittsteller von den Grafschaften Wales und
Devon und Kent, die den Aufstand gegen die Königin unterstützt hatten
und nun gekommen waren, um ihre Gnade zu erflehen. Ich sah in ihre
hoffnungsvollen Gesichter und wunderte mich gar nicht mehr, dass die
Königin Stunden auf den Knien zubrachte und versuchte, Gottes Willen zu
ergründen. Sie hatte Gnade gegenüber jenen walten lassen, die ihr einst
den Thron genommen hatten – würde sie nun wieder Gnade zeigen?
Und was war beim nächsten Mal, und beim übernächsten Mal?
Ich musste diesen Verrätern keine höfische Reverenz erweisen.
Stattdessen funkelte ich sie finster an und bahnte mir mit den
Ellenbogen einen Weg durch die Menge. Hass gegen diese Verräter
erfüllte mich, die nicht nur einmal, sondern zweimal den Untergang der
Königin geplant hatten. Nun waren sie händeringend und voller Demut zum
Hofe gekommen und bettelten um Gnade – um dann, sobald sie
Vergebung erlangt hatten, in Frieden heimzuziehen und neue Ränke zu
schmieden.
Ich drängte mich an ihnen vorbei und nahm die steinerne
Wendeltreppe zum Tor. Ich ertappte mich bei dem Wunsch, Daniel möge
mich dort erwarten, und war daher enttäuscht, als ich nur einen Pagen
erblickte, einen unbekannten Jungen in grober Wolle, der weder Livree
noch Abzeichen trug.
»Was willst du?«, fragte ich argwöhnisch.
»Ich habe hier ein paar Bücher, die du Lord Robert bringen
sollst«,
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