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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Schweigen.
    »Mylord!«, brach es aus mir heraus. »Quält mich nicht! Ich bin
die, die ich immer war. Ich bin die Eure.«
    Er atmete tief ein. Dann rang er sich ein Lächeln ab. »Holder
Knabe, ich bin ein toter Mann«, sagte er schlicht. »Du solltest um mich
trauern und mich vergessen. Danken wir Gott, dass dir aus der
Bekanntschaft mit mir keine Nachteile erwachsen. Ich habe dich als
Günstling bei Hofe auf die Seite der Gewinner gebracht. Ich habe dir
einen Gefallen getan, mein kleiner Knabe. Und ich bin froh darüber.«
    »Mylord«, flüsterte ich fieberhaft. »Ihr könnt nicht sterben.
Euer Tutor hat in den Spiegel geblickt und Euer Schicksal gesehen. Und
zweifellos endet es nicht an diesem Ort. Er sagte, Ihr würdet
wohlbehalten in Eurem Bette sterben, und Ihr würdet eine große Liebe
erringen, die Liebe einer Königin.«
    Lord Robert lauschte stirnrunzelnd, doch dann seufzte er, als
wolle er sich nicht von falschen Hoffnungen blenden lassen. »Vor ein
paar Tagen hätte ich dich angefleht, mehr davon zu erzählen. Doch nun
ist es zu spät. Gleich kommt der Wächter. Du musst gehen. Nun höre
dies: Ich entlasse dich aus meinen Diensten und meinen Plänen. Du
kannst nun bei Hofe deinen Lebensunterhalt verdienen und deinen jungen
Mann heiraten. Sei von ganzem Herzen die Hofnärrin der Königin, und
vergiss mich.«
    Ich trat einen Schritt näher. »Mylord, ich werde Euch nie
vergessen können.«
    Lord Robert lächelte. »Ich danke dir dafür und würde mich
freuen, wenn du zur Stunde meines Todes irgendein Gebet sprichst.
Anders als vielen meiner Landsleute ist es mir gleich, was für ein
Gebet es ist. Denn ich weiß, dass es aus einem liebevollen Herzen
kommt.«
    »Soll ich denn keine Botschaft überbringen?«, fragte ich
eifrig. »An Mr. Dee? Oder an Lady Elisabeth?«
    Er schüttelte den Kopf. »Keine Botschaften mehr. Das ist
vorbei. Ich glaube, ich werde meine Gefährten bald schon im Himmel
wiedersehen. Oder auch nicht – das hängt davon ab, wer von uns
die wahre Natur Gottes kennt.«
    »Ihr dürft nicht sterben!«, rief ich entsetzt.
    »Ich glaube nicht, dass sie mir eine Wahl lassen«, erwiderte
er.
    Ich konnte seine Bitterkeit kaum ertragen. »Lord Robert«,
flüsterte ich. »Kann ich denn gar nichts für Euch tun? Überhaupt
nichts?«
    »Doch«, sagte er. »Versuche, die Königin davon zu überzeugen,
dass sie Jane und Elisabeth vergibt. Jane, weil sie unschuldig ist, und
Elisabeth, weil sie eine Frau ist, die ein erfülltes Leben haben
sollte. Eine Frau wie sie wird nicht geboren, um jung zu sterben. Wenn
du diesen Auftrag mit Erfolg ausführen könntest, würde ich ein wenig
friedlicher Abschied nehmen.«
    »Und was kann ich für Euch tun?«, fragte ich.
    Wieder nahm er mein Kinn in die Hand, doch diesmal beugte er
den dunklen Kopf und küsste mich zart auf die Lippen. »Für mich kannst
du gar nichts tun«, sagte er zärtlich. »Ich bin ein toter Mann. Und
dieser Kuss, mein holder Knabe, mein lieber kleiner Vasall, dieser Kuss
ist der letzte, den ich dir gebe. Dies war unser Lebewohl.«
    Er wandte sich von mir ab, blickte zum Fenster hinaus und rief
»Wache!«, damit der Mann die Tür entriegelte. Dann blieb mir nichts zu
tun, als ihn allein zu lassen, allein in diesem kalten Kerker mit dem
Ausblick in den dunklen, kalten Hof, wartend auf die Nachricht, dass
nun sein Schafott gebaut werde und der Henker auf ihn warte –
auf die Nachricht, dass sein Leben vorüber war.
    Benommen und schweigend kehrte ich zum
Palast zurück. Bei Hofe wurde vier Mal am Tag die Messe gelesen, und
bei jedem Kirchgang fiel ich nun auf die Knie und betete inbrünstig,
dass Gott, der Maria gerettet hatte, auch meinen Lord Robert retten
solle.
    Meine Mutlosigkeit kam der Stimmung der Königin entgegen, die
ebenfalls bedrückt war. Wir waren kein siegesgewisser Hof in einer
siegreichen Stadt, sondern lebten in einem Zustand der
Niedergeschlagenheit. Jeden Tag nach Messe und Frühstück ging Königin
Maria am Fluss spazieren, die kalten Hände tief in ihrem Muff
vergraben, bedrängt vom eisigen Wind, der ihr unter die Röcke blies.
Ich begleitete sie, fest in meinen schwarzen Umhang gewickelt, das
Gesicht im Kragen vergraben. Ich war froh, dass zu meinem Narrengewand
eine warme Strumpfhose gehörte sowie eine warme Jacke. An solchen
Wintertagen hätte ich mich nicht in Frauengewänder hüllen mögen, nicht
für alle spanischen Prinzen der Welt.
    Ich wusste, dass sie in tiefer Sorge war, und bewahrte
Schweigen. Ich hielt

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